Mai-Demo – welche?

Jedes Jahr das Gleiche. Die Medien bilden brennende Müllcontainer ab, die am 30. April – der mythischen Walpurisnacht – oder am 1. Mai – dem Kampftag der Arbeiterklasse – angezündet wurden. Dieses Jahr gelang es nicht, diese Optik einzufangen. Dafür aber wurde ich Augenzeugin eines Polizeieinsatzes, bei dem ich nicht wusste, ob ich lachen oder schreien sollte.

Zuerst die Medienkritik: Der 1. Mai wird in den Medien seit Jahren auf einen netten Spaziergang von alternden GewerkschafterInnen reduziert. Einige Sätze aus den flammenden Reden der RednerInnen schaffen es dann noch in die Tagesschau. Die Botschaften, in 2011 der Mindestlohn, sind schnell wieder vergessen. Dafür bleiben umso markanter die Skandalbilder von Polizeiaufmärschen und schwarzgekleideten DemonstrantInnen in Erinnerung. Bilder prägen, nicht Worte. Das Hamburg-Journal machte gar damit auf, tiefseriös, denn die Sicherheit ist immer ein Top-Seller-Thema. Innensenator Neumann wurde interviewt, klatschte den abgewählten CDU-Senat triumphal ab, weil es weniger Zoff gegeben hatte als in den vergangenen Jahren. Infowert? Gleich Null.

Zur Demo, an der ich teilgenommen habe: Ich war wie seit 27 Jahren auf der Mai-Demo der Gewerkschaften. Sie ist eine feste Größe in der Gewerkschaftsbewegung und ihr Erfolg oder Misserfolg kann nicht allein an den Teilnehmerzahlen festgemacht werden. Was bedeutet 4000 oder 6000? Wie viele sind es, wenn man die Bergedorfer und die Harburger Demo und Kundgebung zusammenzählt? Wie reiht sich das Engagement ein in Zusammenhang mit den Hunderttausenden, die gegen Atomkraftwerke demonstrieren? Und was ist mit denjenigen, die am 1. Mai gegen Nazis auf die Straße gingen? Der 1. Mai hatte und hat auch immer einen antifaschistischen Charakter! Die Menschen sind in Bewegung, und zwar Massen. Isoliert betrachtet kann man nur zu falschen Einschätzungen über die Bedeutung kommen.

Sonntagnacht: Was ich dann aber erlebte, deutete ganz daraufhin, dass ein neuer Innensenator eine Erfolgmeldung benötigte – und dafür unverhältnismäßig Beamte und Beamtinnen ins Viertel schickte: Kurz nach 23 Uhr bumste ein einsamer, aber lauter Böller es in unserer Straße. Ein Trupp schwarzgekleideter Leute lief davon, ein Trupp PolizistInnen hinterher. Einige von ihnen bleiben stehen. Dann kamen Leute, nicht in schwarz gekleidet, und schauten sich das Ganze an. Diese wurden dann von der Polizei festgehalten, personenkenntlich behandelt, abtransportiert. Das Szenario weitete sich auf fast eine Stunde aus: Autos und Hauseingänge wurden ausgeleuchtet, weitere Polizeitrupps herangerufen. Das Verhältnis Polizei und Festgehaltene betrug am Ende 1:5! Raudaumäßig waren die Betroffenen nicht drauf, nur eine Frau schimpfte wütend, war entweder angetrunken oder wurde zu hart festgehalten – oder beides.

Ich bin der Überzeugung, dass der Hauptgrund für den weitgehend ausgebliebenen „Krawall“ in der Schanze daran lag, dass die BewohnerInnen sich nicht instrumentalisieren lassen. Nicht vom Hamburger Establishment, nicht von den Raudau-Touristen. Hier ist der eigentliche Erfolg des 1. Mai und derer zu suchen, die sich engagieren.

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