„Ich wollte nie ein jüdisches Kind.“

Zum zweiten Mal habe ich an einem Senatsfrühstück mit ehemaligen BürgerInnen Hamburgs teilgenommen, die von den Nazis verfolgt und/oder vor ihnen geflohen waren. Immer noch kommen Gäste aus aller Welt nach Hamburg, um an diesem Besuchsprogramm teilzunehmen. 26 sind es diesmal, eine Woche zu Besuch in Hamburg. Etliche sind das erste Mal seit dem Krieg wieder hier. Ich saß heute neben einem Paar aus New York. Er 86, sie 87. In New York sprechen sie nur Englisch, hier reden sie Deutsch. Mein Glück, denn ich bin neugierig. Er ist 1939 mit seiner Familie geflohen, erzählt er mir und wurde mit 18 Soldat. Sie hatte drei KZs, darunter Theresienstadt und Ausschwitz, überlebt, ihren Eltern wurden ermordet, und lebt seit 1946 in Manhattan. Er sei schon ihr dritter Mann, erzählt sie. Sie kennen sich erst seit sechs Jahren. Ihr zweiter Mann, mit dem sie 46 Jahre verheiratet war, starb mit 70. Ihr Vater war Schuldirektor der Israelitischen Töchterschule in Hamburg, ihre Mutter Schulärztin. Morgen besucht sie die Schule, die es immer noch gibt. Dass sie einen Sohn hat, ist nicht selbstverständlich. „Ich wollte nie ein jüdisches Kind“, sagt sie. Ich muss nicht nachfragen, warum sie damals so dachte.

Das Besuchsprogramm war gefährdet. Bis DIE LINKE in die Bürgerschaft einzog, wurden nur Verfolgte der ersten Generation eingeladen. Doch diese sind hochbetagt und es bestand die Gefahr, dass es ausläuft. Mit unserem Einsatz kam letzlich ein interfraktioneller Antrag zustande, damit das Programm auch für die zweite Generation geöffnet wird. Und deswegen sind nun auch ihre Kinder dabei. Kinder, um die 50, 60 Jahre alt. Sie haben nie in Hamburg gelebt, aber die Geschichte ihrer Etlern ist für sie lebendig. Und ich finde es wichtig, dass die Erinnerung überlebt.

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