Ist Wettbewerbsorientierung Fortschritt? Nein!

Die Stellungnahme in der Zeitung Neues Deutschland Eine notwendige Erwiderung ist verwunderlich. Es ist der Text einiger Linke-Mitglieder zu einer Rezension von Oskar Lafontaine zum Buch „Alles auf den Prüfstand“ unter Bezugnahme auf eine Rede Michael Schumanns 1989. Sie geißeln diese Rezension als Stalinismus-Relativierung.

Ich habe den Eindruck, hier wird aus den Zeilen etwas herausinterpretiert, was weder dort steht, noch gemeint gewesen ist. Ich lese aus der Rezension von Oskar eine andere Botschaft: Die Irrtümer des vergangenen Sozialismus müssen von der Partei DIE LINKE aufgearbeitet werden – dazu dient das künftige Programm unserer Partei als Grundlage.
Wenn wir einen demokratischen Sozialismus anstreben, heißt das, den Kapitalismus abzulösen. Das bedeutet nicht, auf Freiheit zu verzichten, sondern Freiheit und Gleichheit als gesellschaftliche Ideale gleichsam zu schätzen. Oskar nennt erneut die systemischen Gegensätze, die Freiheit und Gleichheit verhindern: Der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit, die Gängelei der politischen Eliten durch das Finanzkapital. Damit sich die Partei weiterentwickeln kann, fordert er den Mitgliederentscheid.

Die Zeichner und Zeichnerinnen der „notwendigen Erwiderung“ wehren sich vehement dagegen. Stattdessen bezeichnen sie die heutige Gesellschaftsform unkritisch als „fest in die Weltökonomie integrierte Marktwirtschaft“ und als eine „wettbewerbsorientierte Gesellschaft“. Oskar Lafontaine wird in aggressiver unsolidarischer Weise ein „fehlendes historisches Verständnis“ und „Geschichtsrevisionismus“ vorgeworfen.

Ich denke daran, wie der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl den Menschen in der DDR blühende Landschaften versprochen hat. Hundert Mark gab es für einen ersten Einkauf im gelobten Westen. Ich denke daran, wie sich die Kapitalisten des Westens mit Hilfe der Bundesregierung die implodierte DDR unter den Nagel gerissen haben. Als neuen Absatzmarkt. Aufgekauft, Betriebe platt gemacht. Arbeitsplätze vernichtet. Bildungs- und Gesundheitswesen angepasst. Die Folgen erleben wir bis heute: Die Regionen im Osten entvölkern, weil die Jugend keine Arbeit mehr findet. Als geisterhaft nehme ich eine aufgeblähte Innenstadt wie Magdeburg wahr: Zum Shoppingtempel aufgebaut – nur fehlen die Menschen, die shoppen. Ein anderes Beispiel: Eine wirklich zauberhafte Stadt wie Quedlinburg darf sich an EU-Geldern erfreuen, doch zerfällt neben wieder aufgebauten Häusern der Rest wie Unrat. Die brutale Spaltung der kapitalistischen Gesellschaft könnte nicht besser dargestellt werden. Und immer noch ist der Osten das Armenhaus der Republik, Gewerkschaften ist es kaum gelungen, Tariflöhne zu etablieren. Die Einkommen driften sogar wieder auseinander!

Es gibt eine starke Kluft zwischen den Gewinnern der Wiedervereinigung und den Verlierern. Freiheit ja, aber für wen und zu welchem Preis? Freiheit auf Kosten der sozialen Sicherheit. Dabei stehen wir als Partei doch für die Alternative: Freiheit und soziale Gerechtigkeit! Und dies geht nicht im Kapitalismus.

Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte. Und wir sind aufgrund unserer historischen Verantwortung und unserer besonderen Form der Entstehung als Partei mit unseren Lebensläufen und Geschichten aus Ost und West geradezu verpflichtet, die Erkenntnisse lebendig zu halten und auf das Heute anzuwenden – und nicht mit neoliberalen Begriffen zu verkleistern.

Wer (nur) eine bessere SPD will, sollte die SPD resozialdemokratisieren – und würde damit ein wirklich gutes Werk damit tun. DIE LINKE ist keine SPD und wird sie hoffentlich auch nie werden. In diesem Moment wäre sie überflüssig.

Ich möchte keine wettbewerbsorientierte Gesellschaft, ich möchte eine solidarische Gesellschaft. Wir sind doch nicht auf dem Sportplatz! Ich möchte ein Ende von Hartz IV, eine Entmachtung der Konzernspitzen und des Finanzkapitals. Ich möchte, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgeht und die BRD sich an keinen Kriegen beteiligt. Wer glaubt, dies nur im Wege des Mitregierens erreichen zu können, irrt.

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