Günter Grass, Sozialdemokrat, Atomkraftgegner, Nobelpreisträger, hat Zeit seines Lebens provoziert. Zum Beispiel war er dagegen, dass Deutschland wiedervereinigt wird. Stattdessen befürwortete er eine Konförderation zweier deutscher Staaten. Zum Beispiel, als er aus der Gewerkschaft austrat. Er wollte eine eigene Autorengewerkschaft unter dem Dach des DGB. Zum Beispiel mit seiner Haltung zu den umstrittenen Mohammad-Karikaturen. Grass fand die Haltung des Westens arrogant. Zum Beispiel mit seinen Äußerungen zum Völkermord an den Armeniern. Er forderte die Anerkennung durch die Türkei. Zum Beispiel mit seiner Auffassung über die Monopolisierung der Presse. Grass kritisierte die beherrschende Stellung weniger Konzerne auf dem Zeitungsmarkt.
Grass war noch nie bequem, sondern immer eigen. Er sagte immer, was seiner Meinung nach gesagt werden musste. Der Titel seines jüngsten Gedichts hätte schon mehrere seiner Texte zieren können. Es ist eine Zeile, die vor allem zum ihm passt.
Die Person, das künstlerische Wirken, seine Bedeutung für die Literatur und seine politischen Einwürfe zu kritisieren, wie es seit Veröffentlichung seines Friedensgedichts über die Situation in Nahost geschieht, ist hahnebüchen.
Es geht nicht darum, ob das Gedicht schlecht ist. Es geht nicht darum, ob Grass der Waffen-SS angehörte. Es geht nicht darum, wie alt Grass ist. Es geht auch nicht darum, wer ihm zustimmt und wer nicht.
Wer den Text versucht, als schlechte Qualität zu brandmarken, oder mit der Vergangenheit von Grass zu entwerten, oder mit dem zynischen Beifall der NPD, will vielmehr die Auseinandersetzung mit der Kriegspolitik der israelischen Regierung vermeiden.
Es geht vielmehr um die Regierung eines Landes, die gefährliche Anstrengungen unternimmt, einen Raketenangriff auf ein Atomkraftwerk zu planen. Diese Gefahr ist so real und so gefährlich, dass das Gedicht von Günter Grass, Was gesagt werden muss, ein aktueller und zeitgemäßer und wichtiger Beitrag für die politische Debatte ist. National und international. Ich füge hinzu: Es geht auch und vor allem nicht darum, die Politik des Iran, bzw. dessen Präsidenten, zu verharmlosen.
Dass die israelische Regierung nun ein Einreiseverbot gegen den Schriftsteller, Maler und Bildhauer verhängt hat, ist ein Zeichen für Intoleranz und Unfähigkeit. Wer andere Meinungen draußen halten will und sich abschottet, handelt nicht demokratisch. Abgesehen davon, das Grass nicht vorhatte, in der nächsten Zeit Israel zu besuchen …
Günter Grass kann und wird es aushalten, hart kritisiert zu werden. Schlimmer wäre es vermutlich für ihn gewesen, die Öffentlichkeit wäre zur Tagesordnung über gegangen. Was wirklich schlimm gewesen wäre, auch für die Sache, um die es geht. Insofern hat Grass sein Ziel erreicht: Es wird geredet und gestritten. Über ein Thema, dass leider immer noch viel zu sehr tabuisiert wird. Dessen Kritikerinnen und Kritiker als antisemitisch (und damit rassistisch!) verunglimpft werden.
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