Virtuelle Ortsvereine? Analoge Luftnummer.

Hamburgs Erster Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzender Olaf Scholz – der sich selbst auch als Mediensenator Hamburgs bezeichnet – hat vorgeschlagen, dass sich seine Partei mit virtuellen Ortsvereinen ausstatten möge. Beim näheren Hinsehen entpuppt sich der Geistesblitz als analoge Luftnummer. Warum, ist schnell erklärt:

Es sollen sieben neue, rein virtuelle, Distrikte gegründet werden – pro Hamburger Bezirk einer. Wer darin Mitglied wird, „scheidet“ aus seinem Ursprungsdistrikt aus, bzw. kann nur diesem angehören. Meetings, Austausch und Abstimmungen gibt’s nur über das Netz, einmal im Jahr sieht man sich „in echt“. Will Olaf Scholz damit den Piraten ein Schnippchen schlagen?
Es kann bei näherer Betrachtung kein Zukunftsmodell für moderne Parteiarbeit sein. Der Vorschlag taugt noch nicht einmal, um den Piraten Angst zu machen, geschweige denn Konkurrenz. Geschaffen würde eine parallele Parteistruktur, die weder den Internet affinen GenossInnen nutzt, noch den traditionellen Mitgliedern. Die unterschiedlichen Kommunikationsebenen würden durch dieses Outsourcing sogar noch manifestiert. Medienkompetenz und Social Web würde sich vom klassischen Milieu der Partei weiter entfernen, als heranrücken. Der Kulturwandel, der die Gesellschaft seit der massenhaften Ausbreitung digitaler Strukturen ergreift, würde an der SPD vorbeiziehen.

Olaf Scholz hat die sozialen Medien offenbar noch nicht verstanden. Wer die Welt in analog und digital denkt, verzichtet darauf, die demokratischen Ressourcen zu nutzen, die mit dem egalitären Charakter des Internets möglich sind. Und die immer noch auf große Skepsis und offene Ablehnung stoßen. Übrigens auch in der Linken.

Für die Parteien diesseits der Piraten kann die Antwort auf die neue politische Kraft nur eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen sein. Dazu gehören zumindest für DIE LINKE, die Willensbildung für jene zu organisieren, die die Nachteile der sozialen Spaltung ertragen. Dafür ist der kostenfreie Zugang zum Internet und eine umfassende Medienkompetenzförderung nötig. Dazu gehört, keine Zensur im Internet zu dulden und dass sich die Kostenpflichtigkeit von Angeboten nicht an den Profitinteressen der Bereitsteller orientieren, sondern an den Versorgungsinteressen der UrheberInnen. Dazu gehört, als Partei aufzuklären und Spaltung aufzuheben. Virtuelle Ortsvereine sind dafür untauglich. „Das Internet ist ein demokratisches Medium“, sagte Scholz der WELT. Aber warum will er es dann von seiner Partei fern halten?

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