Im Ländle – oben bleiben!

Trotz parlamentarischer Sommerpause war die letzte Woche reich an Themen und Terminen. Die Teilnahme an einem Empfang für eine Jugendfußballmannschaft aus Chicago am Dienstag war der geringste Aufwand. Der Besuch im Gewerkschaftshaus anlässlich des 60. Geburtstages des DGB-Vorsitzenden Uwe Grund am Mittwoch gehörte zu den angenehmen Treffen. Meine Mitgliederversammlung abends im Bezirk Eimsbüttel befasste sich mit den Zielen der Linken und wie wir sie vermitteln können. Freitag war ich im Tierheim, denn die Evaluation des Hundegesetzes steht bevor. Das war ein Arbeitstermin, der für den Herbst wichtig war. Gestern war ich mit meinen Gewerkschaftsfrauen auf Klausur in Walsrode.

Donnerstag bin ich nach Stuttgart geflogen. Ich habe als Vizepräsidentin den Hamburger Fischmarkt auf dem Karlsplatz eröffnet. Ich hatte eine Rede im Gepäck sowie Ersatzschuhe.
Ich dachte, es ist ein eher unpolitischer Termin. Fischmarkt eröffnen, Smalltalk, Fotos, zurückfliegen. Da es der 25. Fischmarkt in Stuttgart gewesen ist, war er natürlich etwas Besonderes – Jubiläen muss man feiern!
Wie immer geschehen unvorhersehbare Dinge. Dass die Möchte-gern-Polit-Prominenz aus dem baden-würtembergischen Landtag auftaucht – geschenkt. Dass der Oberbürgermeister ein Grußwort hält – normal. Jemand hatte mir vorher erzählt, dass er nicht wieder kandididert. Die Direktwahlen zum OB fänden dieses Jahr im Oktober statt. Also ein scheidender Politiker, der auf eine lange Amtszeit zurückblickt und sich vielleicht auf den Ruhestand freut. Ein älterer Herr, mit Gattin im Schatten.

Er war enorm präsent, schüttelte allen die Hände, zog mich sofort vor etliche Kameras, platzierte sich und mich dekorativ in einen Strandkorb, drückte mir Maultaschen mit Fischinhalt in die Hand – ein Geschenk an die Fischköppe! Klick-klick-klick! Er hielt eine routinierte Rede und stach das Bierfass an.

Ich hatte mir keine Gedanken gemacht, in welcher Partei er sein könnte. SPD vermutete ich, letztlich war mir das egal. Die örtlichen Landtagsgrößen hingegen wurden mir alle mit Fraktionszugehörigkeit und Status vorgestellt. Auch sie wären – rein nach Optik – durchaus austauschbar gewesen. Dass Uli Maurer auch einmal im Stadrat gewesen sei, erzählte mir einer der Herren, die an den zünftigen Holztischen saßen, denn meine Parteizugehörigkeit wurde ebenfalls nach und nach bekannt. Es blieb nett und unkonventionell, die Hemd- und Hosenträger schwitzen um die Wette. Alle waren in Sommerlaune und freuten sich aufs erste Bier. Nachdem alle Reden geredet und Geschenke ausgetauscht waren, lüftete sich die Runde, Entspannung trat in die Gesichter der Organisatoren.
Um halb vier sollte mich ein Shuttleservice zum Flughafen zurückbringen. Genug Zeit für einen Spaziergang und einen Kaffee mit Linda Heitmann, der ehemaligen GAL-Angeordneten, meiner Sitznachbarin in der Bürgerschaft für drei Jahre und Kontrahentin in der Gesundheitspolitik. Sie hatte ihre fünf Monate alte Tochter Svea mitgebracht, die ich mir so oft wie möglich auf den Schoß zog. Wir machten Fotos, tauschten uns über ehemalige und aktuelle Abgeordnete, Ex- und heutige Bürgermeister und Senator_innen aus. Dann Abfahrt, Rückflug, Landung.

Zuhause angekommen fand ich die ersten Bilder von der Eröffnung und von Svea – und wie immer, wenn es etwas zu gucken gibt, postete ich die Bilder in die sozialen Netzwerke rein.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Das Bild mit der Kleinen stieß auf ein tolles Feedback – was glaube ich vor allem dem St. Pauli-Totenkopf auf dem schwarzem Babybody geschuldet war. Die Bilder von Dr. Schuster und mir erzeugten gegenteilige Reaktionen. Der Schuster? Der, der sich vehement für die Versenkung des Stuttgarter Bahnhofs in die Tiefe eingesetzt hatte? Der, der damit bürgerkriegsähnlich Zustände im beschaalichen Ländle auslöste und Mappus eine fette Wahlniederlage bescherte?

Ich schäme mich. Weil ich mich vorher nicht damit befasst habe, wem ich die Hand schüttel, mit wem ich auf einem Foto possiere, mit wem ich anstoße. Ich hätte mich in der diplomatischen Konversation vielleicht nicht anders verhalten, aber ich wäre nicht so unbedarft gewesen. Das ärgert mich. Das passiert mir nicht wieder. Termine dieser Art sind nie unpolitisch. Und wenn man die eigenen Wirkungskreise verlässt, muss man immer darauf vorbereitet sein, dass man nicht ins Schlittern kommt.

Ich hoffe dennoch, dass die Stuttgarter_innen mit dem Fischmarkt ihren Spaß haben. Und sich Stuttgart bald einen neuen OB wählt. Oben bleiben!

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