Der Antrag der Hamburger Linksfraktion für einen Landesaktionsplan für mehr Beschäftigung von Frauen auf guten Arbeitsplätzen soll zum Teil vom Hamburger Senat verwirklicht werden. Diese Empfehlung sprach der Sozialausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am 9. August 2012 aus.
Die Masterpläne Handwerk und Industrie werden somit im geplanten gleichstellungspolitischen Rahmenplan unter die Lupe genommen, besser bezahlte Tätigkeiten für Frauen sowie Beendigung von Teil und Rückkehr in Vollzeit von Frauen im Öffentlichen Dienst gefördert. Die nordrhein-westfälische Landesinitiative Frau und Wirtschaft soll hierzu Anregungen geben. Außerdem werden alle hamburgübergreifenden Maßnahmen offensiv vertreten, die lohnabhängige Frauen diskriminieren: Aufgabe der Minijobs, Einführung von Mindestlöhne sowie eine höhere Bewertung so genannter weiblicher Tätigkeiten. CDU und FDP unterstützen immerhin einige Aspekte dieses Pakets. Die Grünen schlossen sich dem Ursprungsantrag der Linksfraktion an.
Kersten Artus, frauen- und wirtschaftspolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion, erklärt hierzu:
„Die Situation für Frauen ist wirklich dramatisch, deswegen war der Druck so groß, unserem Antrag teilweise stattzugeben. So genannte Frauenberufe wie Erzieherin, Krankenpflegerin oder Friseurin sind sehr viel schlechter bewertet als klassische Männerberufe; Frauen arbeiten oft in Teilzeit, was zu weiteren Schwierigkeiten im Betrieb führt, vor allem bei der beruflichen Fortentwicklung. Und wenn Arbeitsplätze abgebaut werden, nehmen sich Unternehmensleitungen oft zuerst die TZ-Arbeitsplätze vor. Die Rückkehr in ein VZ-Verhältnis ist oft nicht mehr möglich;
Frauen sind auch überproportional von Befristungen betroffen; Zweidrittel aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor sind Frauen; Unterbrechungen der Erwerbsverläufe von Frauen durch Familienphasen führen immer noch zu diversen beruflichen Nachteilen; Auch Familienernährerinnen arbeiten nur zur Hälfte Vollzeit; Das Alterseinkommen von Frauen liegt nur bei 40 Prozent von dem der Männer; Die Lohndiskriminierung ist so massiv, dass der Equal Pay Day immer noch in der zweiten Märzhälfte stattfinden muss. Und sie hat einen schlagenden Begriff erhalten, der das Problem mehr als deutlich macht: Gläserner Deckel.
Seriöse Statistiken belegen, dass dort, wo es keine Tarifverträge gibt, Frauen die schlimmsten Nachteile erleben. Dennoch konnte sich der gesetzliche Mindestlohn aufgrund der derzeitigen politischen Mehrheitsverhältnisse im Land immer noch nicht durchsetzen.
Nun traut sich heute ja eigentlich fast niemand mehr, diese Fakten in Frage zu stellen. Allerdings werden die Benachteiligungen, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben, sehr häufig individualisiert, oder noch schlimmer: psychologisiert. So ist oft – auch in den Medien – davon die Rede, dass Frauen sich nur mal einen Ruck geben müssten, dass sie nicht durchsetzungsfähig genug sind, dass sie schlecht ihr Gehalt verhandeln. Aber es den Frauen in die Schuhe zu schieben, das das Lohngefälle in Deutschland am höchsten in ganz Europa ist, so die OECD, lenkt nur von der Geschlechterblindheit der meisten Politikerinnen und Politiker ab.
Zwar gibt es auch so genannte Best-Practice-Beispiele, aber Vorbilder helfen nur bedingt, wenn Männer, wenn die Betriebe und die betriebswirtschaftlichen Erbsenzähler, nicht Willens sind, der Hälfte der Menschheit ihren Anteil an Arbeit und Einkommen zukommen zu lassen.
Die Linksfraktion sieht ihren frauenspezifischen Antrag zur Arbeitsmarktpolitik in Zusammenhang mit ihren weiteren parlamentarischen Initiativen, allen voran die Forderung nach einem Mindestlohn und die Einführung eines Verbandsklagerechts für Gewerkschaften, das durch eine Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erreicht werden soll – hierzu wurde in 2011 im Justiz-, Datenschutz- und Gleichstellungsausschuss eine Expert_innenanhörung beschlossen.“
Eine Vertreterin des Jobcenters führte ergänzend die perspektivlose Situation vor allem von Alleinerziehenden aus: Arbeitgeber würden sie nicht einstellen, weil sie angeblich zu unflexibel seien. Hinzu käme, dass 70 Prozent der Alleinerziehenden, die zum Jobcenter kommen, ohne Berufsausbildungsabschluss wären.
Die Arbeitszeiten im Dienstleistungsbereich seien nicht vereinbar mit den Lebensbedingungen von Alleinerziehenden, es gäbe nur wenige Kitas mit 24-Stunden-Öffnungszeiten.
Sozialsenator Detlef Scheele stimmte der Analyse der Linken zu. Er wolle eine Untersuchung in Auftrag geben zum Qualifizierungsbedar von gering qualifizierten Frauen. Das künftige Landesmindestlohngesetz solle auch für Zuwendungsempfänger_innen und beim Vergaberecht greifen.
Uneins sind Linke und SPD darin, wie den Gleichstellungsdefiziten konkret begegnet werden kann. Die SPD slehnte die Forderung der Linksfraktion ab, Gleichstellungsdefiziten auf allen beruflichen Ebenen in der Privatwirtschaft und den Behörden zu begegnen und hierfür Kompetenzen zu bündeln und das Fachwissen aller arbeitsmarkt-, wirtschafts-, bildungs- und gleichstellungspolitischen Akteure und Akteurinnen, zum Beispiel Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte. pro:fem, Landesfrauenrat und seine Mitgliedsverbände, sowie die familienunterstützenden Infrastrukturen sinnvoll zu vernetzen.
Kersten Artus kritisierte das. Es sei der Grundfehler, Politik in Ressorts zu denken – insbesondere bei der Gleichstellungs- und Frauenpolitik. Sie forderte die SPD-Fraktion auf, den Antrag der Linksfraktion zur Grundlage beim Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen in der Wirtschaft und im Arbeitsleben und für das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm zu nehmen. Sie befürchte, es käme sonst zu einer viel zu allgemeinen, verwässernden Positionierung, die nicht verbindliche genug auf die Privatwirtschaft, die öffentlichen Betriebe und die Kammern einwirkt.
Die Beratungen und die Beschlussfassung im Sozialausschuss werden dem Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung zur Kenntnis gegeben. Dort wird die Diskussion um die Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben in Kürze fortgeführt.
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