Massaker in beliebtem Urlaubsort

Blåvand (sprich: Blaavand) ist ein Örtchen an der Südwestküste Dänemarks, in dem eigentlich nur 200 Menschen leben. Seit Jahrzehnten erholen sich dort jedoch Tausende von Menschen, nicht wenige davon kommen aus Hamburg. Nicht wenige kommen regelmäßig wieder. Wir sind das zweite Mal nach 14 Jahren hier und freuen uns an diesem unglaublich weißen und weiten Sandstrand, an der Einfachheit des Ortes, von den touristischen Übertriebenheiten einmal abgesehen. Es gibt zuviele Klamottenläden. Es gibt einen irischen Pub, aus dem bereits vormittags versoffene Songs dröhnen. Es gibt zwar überall Postkarten und Strandmuscheln, aber keine Kopfschmerztabletten.

Die Urlauber_innen sind überwiegend einfache Menschen. Sie tragen 7/8-tel Hosen, holen morgens ihre Brötchen und Zeitungen in einer der drei Bagerien und kaufen ihr Grillfleisch beim Slagter.

Einige luxuriöse Besonderheiten gibt es, dazu gehört eine Weinhandlung, in der man auch edlen Käse, fein geräucherte Wurst und selbst gemachte Pralinen gekommt. Der Laden ist nicht billig. Und weil ein zahlungskräftiges Publikum auch optisch angezogen werden möchte, ist das Haus schick zurecht gemacht, mit einem gusseisernen Baum an der Wand. Riesige schwarze Sonnenschirmen sind aufgespannt. Auf den Tischen darunter stehen Schalen mit prallen Zitronen gefüllt, am Eingang prangt sogar ein ganzes Fass voll mit dem gelben Obst.
Es hat etwas von einer schnörkelosen Dekadenz und ist ein doppeldeutiger Augenschmaus – im windigen Dänemark eine tropische Frucht aus dem heißen Süden zur Schau zu stellen. Das ist ein echter Hingucker – eine wirklich tolle Deko-Idee.
Aber wenn dem Volk so viel Luxus entgegenworfen wird, ist der Neid nicht weit. Und so bot sich heute Morgen ein schrecklicher Anblick: Das Fass mit den Zitronen lag umgeworfen vor dem schönen Haus, nur wenige Meter weiter klebten etliche gemetzelte Zitronen auf der Straße. Das Fruchtfleisch war verteilt auf dem Asphalt, die Schalen waren brutal geborsten und gequetscht. Ein regelrechtes Massaker hat da jemand oder eine ganze Gruppe angerichtet. Eine Gang vom Camping-Platz? Oder die Familie aus dem Nachbarhaus (alle in 7/8-tel Hosen), die bei Regen am Sonnabend ankam und bis heute noch nicht am Strand war?

Wäre ich letzte Woche nicht auch in dem Luxusladen eingekehrt, hätte mich der Anschlag vielleicht nicht so betroffen gemacht. Aber ich hatte mit meinem Vater – nur so aus Neugierde – hineingeschaut. Wir wurden von dem sehr freundlichen Besitzer sofort mit einem Löffel Eis mit einer köstlichen Soße garniert begrüßt und durften von dem Rosé-Perlwein kosten, den er auch zum Kauf anbot. Die Flasche zu 99 Kronen, zwei für 150.

Die Zitronen müssen die Täter getriggert haben, anders kann ich mir die Aktion nicht erklären. Es sei den, der irische Pub hat zuviel Guinnes oder Stout ausgeschenkt, dann wäre es eine banale, aber unpolitische, Zerstörungsaktionen von Betrunkenen.

Was kann man dem Mann mit seinen zerstörten Zitronen nun raten? Die Politi dürfte wohl eher nicht ermitteln. Möglicherweise wären Hibiskus-Früchte unbeschadet geblieben, die wachsen nämlich heckenweise an den Straßen und Dünen. Und sie passen auch zu schwarzen Sonnenschirmen. Bald sind sie reif.

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