Wie gut, dass ich bloggen kann. Soviel, wie ich sagen möchte, würde ich niemals in einem Redebeitrag auf dem Parteitag unterbringen. Auch auf Mitgliederversammlungen ist die Redezeit begrenzt, verständlich. Da bleibt außerdem dem Gespräch in der Kneipe kaum noch Gelegenheit, mit Gleichgesinnten alles das auszuspucken, was sich so auf der Zunge gesammelt hat.
Mir ist in den letzten Wochen Überraschendes passiert: Eine Sozialdemokratin hat mir Asyl angeboten. Einige andere Sozis haben sich nach meinem Befinden erkundigt. Einer hat mir den dringenden Rat gegeben, Oskar nicht zu wählen. Da hatte er seine Ankündigung zur Kandidatur noch nicht zurückgezogen.
Haben Sozis ein Recht, uns Ratschläge zu geben, Empfehlungen? Nein. Aber sie haben natürlich das Recht, eine Parteimitgliedschaft anzubieten. Aber warum gerade mir?
Nach zweimal Schlafen habe ich eine Antwort gefunden: Niemand, der mich in meiner politischen Arbeit erlebt, sieht in mir eine Sozialdemokratin. Ein paar wenige Gestrige haben mich schon mal als „Revisionistin“ angepfiffen, wenn ich mich über ihre sektiererische Arroganz lustig gemacht hatte. Aber als Sozialdemokratin gehe ich wirklich nicht durch.
Ich glaube vielmehr, DIE LINKE verkörpert für viele Sozis, die noch in der SPD sind, ein Teil der SPD, den sie gern zurück haben möchten. Und ich als Linke stehe für diesen verloren gegangenen Teil. Mit den Hartz-Gesetzen, mit Afghanistan, mit der Schuldenbremse und der Rentenverschiebung haben sie einen wichtigen Teil ihrer Seele an die Großindustriellen, die Rüstungskonzerne, die Medienkonzerne verkauft. Das macht DIE LINKE nicht. Sie kommt mangels Spenden aus diesen Kreisen nicht einmal in Versuchung. Und seit wir das Erfurter Programm haben, stehen auch die Haltelinien endlich fest.
Nun kloppen wir uns seit ein paar Wochen vor der versammelten Öffentlichkeit. Streiten macht ja Spaß, ich glaube, den Linken besonders. Weil wir das Streiten ja von Grund auf gelernt haben. Streiten wird aber destruktiv, wenn die Applaudeure und Kommentatoren mit dem Streit gar nicht zu tun haben, sondern nur ihre notgeile Befriedigung darin finden, dass andere sich zoffen, sie aber selbstgefällig zurücklehnen und die Zerstörung herbeireden. Wer auch immer jetzt angesprochen fühlt: Das ist eine maßlose Übertreibung!
Alle Parteien kloppen sich. Ich habe auch immer gern bei den anderen zugeschaut: Die SPD in Hamburg hat uns jahrelangen Schlachten geliefert. die CDU-Männer in Hamburg ziehen sich gegenseitig vor Gericht. Die FDP? Daran erinnern wir uns noch alle. Parteien sind keine Häkelvereine. Sie sind Kader- und Kampforganisationen, mal in alt gesprochen.
Wer sich politisch organisiert, lernt mit der Zeit, auszuhalten und sich durchzusetzen. Lernt aber bestenfalls auch, die verschrobendsten Streithähne und -hennen mit Distanz zu betrachten.
Was gar nicht geht, ist das Geseier „Wie müssen uns alle lieb haben“, „Wir dürfen uns nicht so streiten.“ Bitte? Warum streiten wir denn? Um des Streits Willen? Nein! Wir streiten um den richtigen Weg. Zurzeit läuft das nicht sonderlich kultiviert, aber man darf auch nicht den Fehler begehen, vor lauter Harmoniesucht zu übersehen, dass es um Ziele und Wege geht, was wir als Partei erreichen wollen.
Ich will, dass wir am Sonnabend-Abend zwei Parteivorsitzende haben, die streiten und schlichten können. Die für Inhalte stehen, für unser Erfurter Programm in seiner Gesamtheit! Wer am Sonnabend um den heißen Brei drumrumredet, den wähle ich nicht. Wer nur Mediation und Moderation betreiben will, den auch nicht.
Also: Inhalte und Bekenntnisse auf den Tisch! Kapitalismus überwinden! Für den demokratischen Sozialismus kämpfen! Großkonzerne und -banken und öffentliche Kontrolle stellen. Keine Kriege unterstützen! Männern die Macht nehmen!
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