Magda Langhans – Ein Porträt von Anja Röhl

Anja Röhl hat in Junge Welt einen Text über Magda Langhans veröffentlicht. Leider ist er online nicht abrufbar, sodass Anja ihn mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Sie wirft noch einmal einen ganz anderen Blick auf die KPD-Politikerin und stellt einen Bezug zur heutigen parlamentarischen Realität her, wie er bislang noch nicht von KommentatorInnen meiner Broschüre unternommen wurde. Ich finde, er passt gut in die aktuelle Auseinandersetzung innerhalb der Linken. Er ist vor Pfingsten erschienen, hier ist er:

„Meine Herren und Damen!“, so begann Magda Langhans, eine Hamburger Parlamentarierin der KPD im Hamburger Rathaus, wo sie schon von vor 33 hineingewählt worden war und dann wieder 1945-1952 gewirkt hat, jeweils ihre Reden. In bewusster Umkehrung der geläufigen Floskel gab sie hier aus Höflichkeit zuerst die Herren an. Aus der Ungewöhnlichkeit dieser Anrede erschließt sich, wie wenig uns Frauen als Parlamentarierinnen überhaupt bekannt und geläufig sind.

Parlamentarischer Kampf ist den meisten Linken ein Dorn im Auge, weil sie seit Einführung desselben immer die gleichen negativen Erfahrungen mit ihm machen, er hält nicht, was er verspricht, er soll Garant der Demokratie sein, aber er scheint die wirkliche Demokratie, nämlich ein Mitwirken des Volkes an den Entscheidungen der Mächtigen und Großen eines Landes, eher zu verhindern, als zu befördern. Der Parlamentarismus wird von den Menschen, die in einem Staat Macht besitzen, mit viel Geld- und Produktionsmitteln ausgestattet, in hohen Ämtern sind, heutzutage als „westlicher Wert“, als das neue Herzstück ihrer Legitimität betrachtet und mit Demokratie gleichgesetzt, obgleich wir doch wissen und sehen, dass das Herzstück westlicher Demokratien sich in Wahrheit ausgehöhlt hat, oft eine Farce ist, eine „Spielweise“, die der wahren Herrschaft der Börse nur als Alibi, als heuchlerisches Aushängeschild dient, da sie dieses Instrument nur duldet, solange es ihren Interessen nicht zuwiderläuft. Jedoch gibt es und gab es immer wieder Parlamentarier, die es geschafft haben, auch hier politisch, in wirklich demokratischem Sinne wirksam zu sein, sich nicht bestechen zu lassen, nicht durch Ausschusspolitik kleinkriegen zu lassen, nicht durch Hinweise auf Nichtdurchsetzbarkeit mürbe machen zu lassen, die die Interessen der kleinen Leute, der breiten, abhängig Beschäftigten oder Nicht-Beschäftigten eines Staates, der Schwachen gegen die Starken, der Ohnmächtigen gegen die Mächtigen, immer wieder angemeldet, zum Ausdruck gebracht und auch durchgesetzt haben. Eine davon ist die Parlamentarierin Magda Langhans, nach der heute in Hamburg keine einzige Straße heißt.

Kersten Artus, eine Abgeordnete der Hamburger Linken, hat jetzt eine Sammlung ihrer Parlamentsreden (zwischen 45 und 52) in einer Broschüre in Auszügen herausgebracht, es handelt sich dabei ausnahmslos um konkrete Beschreibungen der Nöte verschiedener Bevölkerungsgruppen, die sie mit diesen Reden ins Parlament trug und jedes Mal ist dieser Beschreibung ein konkreter Antrag beigegeben auf Linderung dieser Nöte. Aber nicht nur das, das Porträt ist ein erschütterndes Dokument über das Ringen fortschrittlicher, eben erst vom Faschismus befreiter Menschen, die in der Nachkriegszeit erleben mussten, wie genau der Demokratie, die der Parlamentarismus versprach zu bringen, in dieser und mittels dieser Institution auf kalte Weise der Garaus gemacht wurde. Während sie das Elend in den Nissenhütten in Hamburg beschreibt, wo die Flüchtlinge auf den feuchten Fußböden schlafen müssen und nicht mal genug Strohschüttung haben, so dass Seuchen grassieren, machen sich ihre Parlamentskollegen über sie lustig und unterbrechen ihre Rede mit hämischen Zwischenrufen. Dezidiert beschreibt sie die Probleme von Frauen, Arbeitslosen, Alten, von Kindern, ein einzigartiges Dokument der Lebenssituation breiter Bevölkerungsteile in der unmittelbaren Nachkriegszeit, und stellt das wenige, dass man hier bräuchte um Not zu lindern dem Geld gegenüber, das für repräsentative Prachtbauten u.ä. ausgegeben wurde. Sie argumentiert gegen den Marschallplan und deckt ihn als etwas Ähnliches auf, als das wir heute die Griechenlandhilfe verstehen, als Betrug, zu nichts anderem gut, als die eigenen Überschüsse loszuwerden und Krisen auf Kosten von Armen zu bewältigen.

Ihre Parlamentsreden sind ein Dokument echten Kampfes einer Frau, die das Wohl des Volkes wirklich ernst nahm, einer echten Volksvertreterin. Aber wie reagierte das Parlament? Höhnisch, verächtlich, schließlich mit Verbot und Ausgrenzung.

Ein Parlament in einem Staat macht noch keine Demokratie, ebenso auch keine alle vier Jahre stattfindende Wahl, bei der jeder ein Kreuz machen darf, die Armen und Benachteiligten eines Staates müssen ernst genommen werden, sie müssen sich Gehör verschaffen können, sie brauchen Bildung, Nahrung, gesundheitliche Fürsorge. Ein Wirtschaftssystem, das nur dem Egoismus das Wort redet, kann das nicht leisten. Ein Wirtschaftssystem, dass mächtige private Nutznießung vor allen Zielen verfolgt, das wird immer so viel Kraft haben, ein Parlament als Ganzes in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken, sei es durch Presse- und Parteienbeeinflussung, durch attraktive Ämtervergabe, durch Isolation ihrer Kritiker, durch Bestechung und Medienkontrolle. Das sind die Gründe, warum sich aus den Parlamenten heraus bisher nur äußerst selten gesellschaftlich etwas bewegt hat. Wenn, dann haben sich die Parlamente bewegt, weil sich die Stimmung in der Bevölkerung verändert hat, das aber war einzig dem Kampf draußen zu verdanken, der Aufklärung über Zustände, Hintergründe, dem Einsatz für Streikende, Benachteiligte u.ä.

Magda Langhans hat beides in sich vereint, ihre Reden sprechen davon, wie sie die Leute in den Nissenhütten besucht hat, sie erzählen von konkreten Frauen und Kindern, die Magda Langhans gesehen, gesprochen, die sich an sie gewandt und für die sie etwas getan hat und so zeigen sie nicht nur eine Frau, die reden und überzeugen, sondern auch handeln kann und das ist, glaube ich, die größte Gefahr, der man als Parlamentarier erliegen kann, sich in dem Schlagabtausch der Meinungen verlieren und sich so immer mehr von der Lebenssituation der Bevölkerung zu entfernen. Von Magda Langhans kann man lernen, wie sich das vermeiden lässt. Wie wichtig ist es doch, in die Geschichte zu schauen.

Kersten Artus hat Magda Langhans ein würdiges Erbe gesetzt und uns gleichzeitig deutlich gemacht, wie ein parlamentarischer Kampf zu führen ist, ohne einzuknicken. Es lohnt sich sehr, hier nachzulesen, wer es wirklich ernst gemeint hat mit der Demokratie. Zu bestellen über Kersten Artus: http://kerstenartus.de
(Quelle: Junge Welt, 25. Mai 2012)

Ein Kommentar

  1. Kersten Artus sagt:

    Bodo Goldmann – #1 – 28.05.2012 19:58 – (Antwort)

    „Magda Langhans hat beides in sich vereint, ihre Reden sprechen davon, wie sie die Leute in den Nissenhütten besucht hat, sie erzählen von konkreten Frauen und Kindern, die Magda Langhans gesehen, gesprochen, die sich an sie gewandt und für die sie etwas getan hat und so zeigen sie nicht nur eine Frau, die reden und überzeugen, sondern auch handeln kann und das ist, glaube ich, die größte Gefahr, der man als Parlamentarier erliegen kann, sich in dem Schlagabtausch der Meinungen verlieren und sich so immer mehr von der Lebenssituation der Bevölkerung zu entfernen. Von Magda Langhans kann man lernen, wie sich das vermeiden lässt.“
    .
    Hoffentlich dauert es nicht mehr so lang,
    bis die heutigen linken Bürgerschaftsabgeordneten die Menschen in den heutigen „Nissenhütten“ besuchen, ihre Probleme erkunden und diese im Parlament zur Sprache bringen.
    Wenn sie denn einmal zwischen den Einsätzen für Frauenquotierungen in den Führungsetagen der DAX-Unternehmen dafür Zeit haben.

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