Spielhallen in Hamburg. Eine erschütternde Bilanz

Hamburg bekommt ein Spielhallengesetz. Der Automatenverband macht dagegen mobil, schaltet Großanzeigen in Mopo und Abendblatt, organisiert Briefkampagnen seiner Beschäftigten an Abgeordnete. Bei einer Anhörung in Rathaus am letzten Freitag leugnete die Verbandsvertreterin das Suchtpotenzial von Glücksspielgeräten: „Wir verkaufen keine krankmachenden Produkte.“

Was von diesem Lobbyistengeschwätz zu halten ist, verdeutlichen nachfolgende Zeilen:
Zehntausend Menschen in Hamburg gelten als glücksspielsüchtig, das sind 40 Prozent aller Spielhallengäste. Selbst unter Kurzzeitspielern befinden sich viele pathologisch Kranke. Wer andauernd im Spiel verliert, ist eine sichere Gewinngarantie, wie die Zahlen beweisen: Die Spielerträge haben sich in den letzten Jahren verdoppelt, liegen derzeit bei 4,14 Milliarden Euro bundesweit laut Fachleuten. Spielhallen machen damit sogar achtmal so viel Umsatz wie Casinos. Diese sind durch den Glücksspielstaatsvertrag reguliert. Spielhallen konnten unkontrolliert wachsen und Menschen abzocken.

Gisela Alberti vom Arbeitskreis Glücksspielsucht beschreibt die Auswirkungen der Sucht zu einen mit dem ungeheuren Zeitverbrauch, der durch stundenlanges Spielen entsteht. Es ist zum anderen eben eine teure Sucht, gekennzeichnet von Lohnpfändungen, Arbeitsplatzverlust, Wohnungslosigkeit, Beschaffungskriminalität. Es ist auch eine heimliche Sucht: Betroffene entwickeln ein Geflecht von Lügen. Bis sie niemanden mehr haben, der ihnen vertraut.

Fast 90 der 400 Spielhallen Hamburgs befinden sich laut Senat in der Nähe von Schulen. Vor und nach dem Unterricht und sogar in den Pausen treibt es vorwiegend junge Männer an die Automaten. Überproportional viele haben einen Migrationshintergrund. Tests ergaben zudem, dass die Aufsichten nicht immer darauf achten, dass die Gäste volljährig sind.

Die Angestellten leben gefährlich: 2011 kam es laut polizeilicher Kriminalstatistik zu 58 Überfällen auf Spielhallen – also auf jede achte! Bei der Hälfte davon wurden Schusswaffen eingesetzt. Was ist nun von den vielen Briefen vornehmlich weiblicher Beschäftigter und BetreiberInnen in und von Spielhallen zu halten, die mich erreichten?

Die Sorge um den Arbeitsplatz, wie ihn mir viele beschrieben haben, muss ernst genommen werden. In der Tat werden Jobs wegfallen, wenn Spielhallen nicht mehr rund um die Uhr geöffnet haben. Es kann auch sein, dass Spielhallen ganz schließen müssen. Aber in welchem Verhältnis steht dies zu den Arbeitsplätzen, die durch die Sucht verloren gehen?

Eine Angestellte stellte mir ihre Situation wie folgt dar: „Ich bin schon über 60 und seit einigen Jahren in einer Spielhalle angestellt. Ich arbeite in der Spielhalle allein. Meine Arbeitszeit beginnt um Mitternacht und dauert bis sieben Uhr früh.

Viele Kunden kommen gegen halb fünf, nach ihrem Arbeitsende in der Kneipe, im Hotel, um ein paar Runden zu spielen. Die Kunden rauchen schachtelweise und ich rauche mit, obwohl ich eigentlich nicht mehr geraucht habe, bis ich dort angefangen habe. Das Nikotin tropft fast von der Decke. Viele sind nett, aber manchmal werden Kunden aggressiv, vor allem, wenn sie verloren haben. Einer hat mich einmal inständig gebeten, ihm Hausverbot zu erteilen. Als ich ihm sagte, dass ich das nicht kann, fing er an, auf den Automaten einzuschlagen. Er zertrümmerte ihn.. Zweimal bin ich schon überfallen worden. Die Täter hatten Waffen dabei.

Ich würde gern kündigen. Bei der Arbeitsagentur sagte man mir, wenn ich das täte, käme ich auf Hartz IV. Ich solle mich krank schreiben lassen. Aber das ist nicht mein Ding. Ich war mein Leben lang selbstständig.“

Der bislang vorliegende Gesetzesentwurf ist nicht ausreichend, um Menschen vor Glücksspielsucht zu schützen. Die Schließungszeiten von fünf Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags greifen zu kurz. Das Abstandsgebot von 500 Metern zwischen Spielhallen muss auch für Schulen gelten. Das Gesetz muss auf Gaststätten, Imbisse, Supermärkte ausgeweitet werden. Über ein Rauch- und Werbeverbot in und für Spielhallen muss nachgedacht werden. Schließungszeiten müssen auch für den Kiez und den Steindamm gelten.

DIE LINKE unterstützt eine zentrale Sperrdatei, wie sie auch für Casinos gilt. Die Arbeitsagentur muss für Spielhallenangestellte alternative Stellen bereit stellen. Der von der Linksfraktion geforderte Landesaktionsplan zu Schaffung von Existenz sichernden Arbeitsplätzen für Frauen muss schnellstens umgesetzt werden.

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