Brust raus!

Der Skandal um das minderwertige Material, das derzeit unzählige Frauen auf der ganzen Welt in ihren Brüsten tragen, wird derzeit breit in der medialen Öffentlichkeit präsentiert und diskutiert. 150.000 „Einheiten“ wurden laut Stern* jährlich bei Poly Implant Prothèse (PIP), hergestellt. Aus welchen Gründen auch immer Frauen sich entschlossen haben, mit Silikonimplantaten ihre Brüste aufzupolstern: Sie wurden Opfer des freien Gesundheitsmarktes, der seinen Playern die Möglichkeit ungebremster Gewinnabschöpfung ermöglicht.

Alle waren mit von der Partie: FachärztInnen, der TÜV, die Gesellschaft der Plastischen Chirurgie. Denjenigen, denen wir Glauben schenken in ihre Kenntnisse. Denen wir vertrauen möchten. Die dafür stehen, dass es Grenzen gibt, die Sicherheit, Gesundheit, Seriosität lauten. In Deutschland sollen es 51 von 100.000 betroffene Frauen sein. In den USA, Kolumbien, Brasilien, Italien, Griechenland sind es mehr als doppelt so viele, die Silikon in sich tragen.

Frauenkörper werden seit Tausenden Jahren ausgebeutet, warum sollte im 21. Jahrhundert nicht mehr so sein? Ihre Brust ist ein hohes Identifikationsmerkmal für Frauen, also gut geeignet zum Kasse machen. Sei werden schließlich immer noch daran gemessen, wie groß ihre Brust ist und wie sie sie trägt. Weibliche Brüste sind Eyecatcher auf Plakaten, Zeitungen und Zeitschriften, im Internet. „Holz vor der Hütte“ heißt eine Facebookseite – eine zwar recht saloppe, aber beispielhaft typische Reduzierung der Frau. Die übrigens auch weibliche Fans hat.

Der Gesundheitsmarkt ist unerbittlich: Auch beim Krebs wird exemplarisch deutlich, wie gut sich mit Brüsten Geld machen lässt: Seit Jahren schlagen einschlägige Kreise mit dem Mammografiescreening Profit aus der Krankheit, ohne einen evidenten Beweis für die Wirksamkeit von Röntgenaufnahmen der weiblichen Brust beim Kampf gegen den Brustkrebs geliefert zu haben. Viele Frauen werden immer noch zu uninformiert der Prozedur ausgesetzt. Alternativen in der Früherkennung und der Forschung bleiben unterfinanziert. Die Kassen zahlen die Apparatemedizin.

Es bleiben Fragen, die derzeit nicht in den Medien zur Debatte stehen: Warum sollten gesunde Brüste vergrößert werden? Für wen? Welchen Effekt hat das? Warum werden die PIP-Manager nicht umgehend wegen Körperverletzung angeklagt? Die plastische Chirurgie ist sicherlich in vielen Fällen ein Segen. Nach Krebs, nach Unfällen. Doch sie ist es nicht, wenn menschliche Körper modelliert werden wie Knetfiguren. Ein neues Selbstverständnis, ein neuer Stolz täte uns Frauen gut.
* Stern, Ausgabe 2 vom 5.1.12

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