Joachim geht. Ein Blick zurück.

Wir wussten es natürlich schon eine Zeit lang und auch in der Partei war es durchgesickert: Joachim Bischoff verlässt unsere Fraktion. Es ist mehr als nur der Rücktritt eines Abgeordneten. Er ist nicht nur ein wandelndes Sach- und Geschichtsbuch und hat gearbeitet wie drei Abgeordnete. Er ist auch als Mensch ein Erlebnis. Da ist einmal seine Fähigkeit, sich auf das Wesentliche konzentrieren. Beziehungsfragen interessieren ihn nicht. Er muss und er will niemandem gefallen. Manchmal ist er hart im Umgang mit anderen, vor allem aber hart im Umgang mit sich selbst. Und dann ist da der respektierende, überaus höfliche Mann. Er will unauffällig sein – allerdings nur, bis es um die Sache geht, für die er streitet. Dafür kämpft er erbarmungslos. Seine gelegentlichen Wutausbrüche haben mich anfangs erschreckt. Später habe ich den leidenschaftlichen Menschen dahinter gesehen, der immer viel weiter war als ich.
Beispielhaft möchte ich zwei Momente, die ich mit Joachim hatte, schildern und die so typisch für ihn sind: Unser erstes Medientraining vor der Bürgerschaftswahl 2008 boykottierte er gnadenlos: Er war mit diesem Klimbim – Wie fühle ich mich vor der Kamera, wie bewerte ich mich anschließend? – nicht einverstanden. Er hat sich zwar vor die Kamera gestellt, aber seine Arme blieben vor der Brust verschränkt. Auflockerungsspäße unserer Seminarleiterin Bärbel prallten an ihm ab.
Der andere Moment: Tag der Offenen Tür im Rathaus 2008. Wir als Linke das erste Mal dabei. Joachim und ich hatten eine Zeit lang zusammen Dienst am Stand. Der Konsumismus der BesucherInnen war unverfroren, in Sekunden waren immer wieder die Süßigkeiten aus unseren Glas-Schälchen leergefuttert. Kugelschreiber, Blocks, Luftballons – die Umsonstkultur machte aus normalen Leuten Plünderer. Wir kamen mit dem Auffüllen und Ausgeben nicht nach. Joachim lies alles um sich herum geschehen. Er stand neben dem Tisch und lachte. Er wäre der letzte gewesen, der gesagt hätte, „Nun ist aber gut, greifen Sie mal nicht so ab.“ Joachim ist großzügig und kleinlich zugleich – Extreme, die er völlig unproblematisch nebeneinander auslebt.
Es ist ein Privileg gewesen, mit dem Ökonom Bischoff vier Jahre lang in einer Fraktion gewesen zu sein. Er war zwar Abgeordneter wie ich, ist aber vor allem ein Lehrender und Führender gewesen. Dass er im halben Lauf aufgeben muss, ist auch tragisch. Danke für diese Zeit.

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