Ich war im Untersuchungsgefängnis. Als Obfrau im Eingabenausschuss für die Linksfraktion, nicht als Betroffene. Der Eingabenausschuss hat dort am Dienstag eine Sitzung abgehalten, mit der Anstaltsleitung gesprochen, die Flure und Zellen besichtigt. Ich habe mich anschließend gefragt, was schlimmer ist – dort einzusitzen oder dort zu arbeiten? Die Frage ist zwar müßig, aber ich habe noch nie derart harte Arbeitsbedingungen gesehen. Kein Wunder, dass der Krankenstand so hoch ist. Inhaftierte leben im Ausnahmezustand. Sie haben deswegen eine besonders hohe Suizidgefahr. Es muss stets darauf geachtet werden, dass sie sich nichts antun. Dennoch geschehen Freitode. Nach Auskunft der Anstaltsleitung jedoch weniger als in anderen Gefängnissen.
Es gibt einen renovierten Flügel und einen, der mich an alte Krimis erinnert. Der renovierte Flügel des Gebäudes an der Holstenglacis wirkt nun nicht einladender als der alte, aber immerhin sind die Böden heil, die Wände verputzt und die Toiletten sind abgetrennt von der restlichen Zelle. Außerdem ist es im renovierten Teil möglich, die Inhaftierten tagsüber zusammenkommen zu lassen, nachts sind sie dann allein untergebracht. Dennoch gibt es auch immer noch Sammelzellen.
Wer im Gefängnis sitzt, kann sich an die Bürgerschaft wenden, wenn er sich beschweren will. Der Eingabenausschuss behandelt jede Beschwerde. Oft können wir nicht helfen, weil Aussage gegen Aussage steht. Immer aber ist jede Eingabe ein Hinweis für die Anstaltsleitung und die dort Beschäftigten, dass „drinnen“ nicht „draußen“ ist und dass die Inhaftierten Rechte haben. Unser Besichtigung hat hoffentlich dazu beigetragen, dass alle Anstrengungen unternommen werden, den Grundsatz, Solange jemand nicht verurteilt ist, ist er als unschuldig anzusehen, beachtet werden.
Alle Knäste abschaffen, das wäre die beste Lösung. Unser Sozialsystem ermöglicht diese Voraussetzungen nicht. Realpolitik in diesem Politikfeld zu betreiben, ist voller Widersprüche. Denn vor den wirklich bösen Buben, die ein reale Gefährdung für die Allgemeinheit sind, muss die Bevölkerung geschützt werden. Daher ist es das Mindeste, die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen, damit die Menschenrechte auch im Gefängnis gewährleistet werden. Das ist die Zivilgesellschaft denen schuldig, die letzlich aufgrund ihres Zustandes so geworden sind, wie sie sind.
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