Wer zieht ein – und warum?

Bereits jetzt lässt sich sagen: Auf die Auswirkungen des neuen Wahlrechts waren die Parteien schlecht vorbereitet. ParteifreundInnen wurden zu KonkurrentInnen ungeahnten Außmaßes. Privates Geld, Parteigeld und Spenden wurden in eine sinnlose Materialschlacht gesteckt, die allenfalls das Bruttosozialprodukt und Billigdrucklieferanten bedient haben. Die Abgeordnete, die im Stillen großartige Arbeit leistet, aber in einem stimmenschwachen Wahlkreis antrat, verlor, während das Großmaul Stimmen absahnte. Derjenige, der sich durch kontinuierliche und kritische Arbeit auszeichnete, flog aus dem Parlament, während eine Kandidatin, die faltenfrei lächelte und mit wohlwollenden Berichten der Springerpresse bedacht wurde, einen Platz in der Bürgerschaft einnimmt. Ungerecht mag man das nennen. Es ist ungerecht. Es ist wie es ist.

War das System vorher besser? Als Parteivorstände den Delegierten Listen mit Karrieristen, Opportunisten und ParteisoldatInnen vorgelegt haben, die dann abgenickt wurden? Die übliche Ochsentour in einer Partei hat offenbar ausgedient.
Das neue Wahlrecht ist nicht nur gewöhnungsbedürftig, es bedeutet einen Paradigmenwechsel in den Parteien. Es bedeutet einen neuen Anspruch an Solidarität, an innerparteilicher Transparenz und Demokratie, Öffentlichkeitsarbeit, an BürgerInnennähe. Apropos: „Es ist nicht Aufgabe des Kandidaten, sich bei den Wählern bekannt zu machen, es ist Aufgabe der Wähler, ihre Kandidaten auszusuchen – vorher!“ – lautet sinngemäß ein Satz in der Proletenpassion von den Schmetterlingen.
Das neue Wahlrecht muss genutzt werden, dass sich die Menschen wieder mehr darum kümmern, wie sich ihre Volksvertretung zusammensetzt. Auch in der letzten Wahlperiode konnte man nicht wirklich von einer Repräsentativität der Bevölkerung sprechen. Die Bürgerschaftswahlen 2011 in Hamburg geben nun allerdings noch keinen Hinweis dazu. Denn dann wäre auch die Wahlbeteiligung gestiegen. Doch sie kam erneut tief geflogen.

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