Zweiter Tag Haushalt – BILD schießt Abgeordneten ab

Zu Beginn der Sitzung fehlte über die Hälfte der CDU-Fraktion: nur 13 ihrer Abgeordneten waren im Plenarsaal. Das meldet die BILD heute sicherlich nicht. Stattdessen machte sie gestern groß auf, dass der GAL-Abgeordnete Anjes Tjarks, wohl Klassenarbeiten „während der wichtigsten Bürgerschaftsdebatte im Jahr“ korrigierte. Und zeigte zum Beweis ein Foto, auf dem zu lesen ist, was auf seinem Pult liegt. Irgendein englischsprachiger Text.

Man kann es kritisieren, dass Abgeordnete nicht immer aufmerksam sind. Oder sogar Dinge tun, die rein gar nichts mit dem Abgeordnetenmandat zu tun haben. Was da in den vielen Stunden Bürgerschaftssitzung in die Smartphones getippt und auf den iPads geschrieben wird, wird sicherlich nicht ausschließlich mit dem Mandat zusammen hängen. Gespräche werden laufend geführt – wohl auch über das gute Essen am letzen Wochenende oder über eine berufliche Angelegenheit oder den neuesten Kino-Streifen.
BILD hat Tjarks vielmehr gezielt abgeschossen – das war kein Schnappschuss. Erst vor zwei Wochen lief stundenlang ein BILD-Fotograf durch den Plenarsaal und fotografierte uns in allen möglichen Situationen. Er lichtete auch leere Bankreihen ab. Er knipste vom Balkon herunter mit dem dicksten Objektiv, das er zur Verfügung hatte – und zielte genau in den Schoß diverser Abgeordneter und auf ihr Pult. Er lichtete auch ab, was auf Notebooks flimmerte. Wie lange hat das Blatt darauf gewartet, bis es endlich eine Optik hatte, mit der sich eine schiefe Geschichte präsentieren lässt?
Nein, man tut das nicht: Klassenarbeiten während der Bürgerschaftssitzung zu korrigieren. Wenn es denn wirklich eine gewesen ist. Nein, man tut das nicht: Einen Abgeordneten so zu fotografieren, dass lesbar ist, was er auf seinem Pult liegen hat.
Was hat BILD noch alles fotografiert? Die Petition eines Flüchtlings, die ich neulich noch durchgearbeitet habe? Die persönliche Einladung, die ein gerade jemand las, weil sie in dessen Rathauspostfach gesteckt wurde? Ein Dankschreiben eines Bürgers, dem unkonventionell geholfen wurde, was aber vertraulich gewesen ist?
BILD hat nicht nur ein neues Schmierenstück aufgefahren, das Blatt hat auch gegen die Hausordnung der Bürgerschaft verstoßen. Wie damit umgegangen wird, werden wir im Präsidium in Kürze beraten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert