Berliner Erklärung – unterschreiben!

Die Berliner Erklärung ist eine Petition, die eine Quote in Managements fordert. Es heißt darin unter anderem: Deshalb treten wir in einem ersten Schritt für eine Quote bei den Aufsichtsräten der börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unternehmen ein, die zunächst mindestens 30 Prozent betragen soll. Damit die Maßnahme Wirkung entfaltet, wollen wir flankierend Fristen und empfindliche Sanktionen regeln. Die Quote für Aufsichtsräte kann aber nur der Anfang sein!
Nun gibt es eine Gegenerklärung. Es ist eine kritische Auseinandersetzung damit, dass die Berliner Erklärung partei- und klassenübergreifend ist: Auch Managerinnen und CDU-Frauen haben die Berliner Erklärung nämlich unterzeichnet. So heißt es darin unter anderem: Die Akteurinnen der „Berliner Erklärung“ stehen überwiegend auf der anderen Seite, sie streiten nicht für die große Mehrheit der Frauen.
Das stimmt – und gleichzeitig stimmt es auch nicht. Es ist ein gesellschaftlicher Skandal, dass Wirtschaft und Banken in Männerhänden sind. Frauen werden die Gleichberechtigung und Gleichstellung nur erreichen, wenn sie komplett an der Macht teilhaben. Dass es Verschränkungen zwischen Klasse und Geschlecht gibt, steht dabei außer Zweifel, ebenso, dass wir uns derzeit in einer Ausbeutungsgesellschaft befinden.
Frauenpolitik ist aber immer Bündnisarbeit – wie die Friedenspolitik auch. Grundlegende gesellschaftliche Missstände können wir nur gemeinsam, im Bündnis überwinden. Die Friedensbewegung war in den 80ern deswegen so groß, weil sie klassenübergreifend gewesen ist. Das änderte nichts daran, dass ich mit meiner betrieblichen Friedensinitiative gefordert habe: „Arbeit und Frieden“.
Wenn eine Friede Springer oder eine Ursula von der Leyen einen Friedensaufruf unterzeichnen würde, sollte ich dann sagen, dass ich ihn deswegen nicht unterschreibe? Das wäre fatal und dogmatisch – und schädlich. Und im Übrigen auch nicht vermittelbar. Ich würde nur Beifall bekommen von jenen, die ich sowieso nicht mehr überzeugen muss, Frauenrechte als Menschenrechte anzuerkennen. Dieser Beifall ist oft schön, aber er reicht nicht aus, wenn ich etwas verändern will. Es reicht auch nicht, wenn ich mich abends mit meinen Wahrheiten ins Bett lege und es mit ihnen kuschelig warm habe.
Ein Problem scheinen die Unterzeichnerinnen der Gegenerklärung mit zweierlei zu haben: Sich mit anderen Frauen, die nicht ihre politische Meinung vertreten, auf einer Erklärung wiederzufinden, sowie ihrem Geschlecht bereits Teilhabe an der Macht zuzugestehen, solange wir uns noch im Kapitalismus befinden. Und genau deswegen greift die Gegenerklärung zu kurz. Sie ist sogar kontraproduktiv, weil sie jene in die Isolation führt, die Klasse und Geschlecht in Beziehung zueinander setzen.
Ich habe mich in vielen Beiträgen mit der Quote für Aufsichtsräte kritisch auseinandergesetzt, denn mir kann es als abhängig Beschäftigte egal sein, ob eine Controllerin oder ein Controller mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen meinen Arbeitsplatz vernichtet, ob mich ein Mann oder eine Frau rausschmeißt, ob eine Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler Truppen nach Afghanistan sendet. Wenn es aber darum geht, Frauen aus ihrer benachteiligten Rolle herauszuholen, dann gehe ich mit diesen Frauen einen Stück des Weges gemeinsam – weil dieses Stück ein gemeinsamer Weg ist.
Die Berliner Erklärung zu unterschreiben, heißt nicht, dass ich meinen Kopf abgebe, und meine Kritik. Mit der Gegenerklärung jedoch sagen die Unterzeichnerinnen, dass sie nicht wirklich etwas erreichen wollen.

3 comments

  1. Kersten Artus sagt:

    lisabeth Maatz – #1 – 03.01.2012 11:06 – (Antwort)

    Die Arbeit von Frauen zur Beseitigung wirtschaftlicher Nachteile von Frauen und zur Gestaltung einer geschlechtergerechten Welt wird durch Akzeptanz und Respekt vor den Anstrengungen andersdenkender Frauen erfolgreicher verlaufen.
    Deshalb bin ich für die Unterzeichnung.

    Abgrenzung LINKEr Frauen zum Beispiel in Sachen Afghanistan oder Hartz IV ist aber weiterhin nötig und doch wohl in unseren Reihen unangefochten.
    Ein sozialistisches Wirtschaftssystem bleibt weiterhin Grobziel feministischer Politik.

  2. Kersten Artus sagt:

    Bodo Goldmann – #2 – 03.01.2012 13:06 – (Antwort)

    Ob eine Forderung, die sich für privilegierte Frauen der Oberschicht (die auch privilegierter sind als 99% der Männer) einsetzt, von der Linken unterstützt werden sollte, wage ich zu bezweifeln.
    Man geht man dabei mit reaktionären Frauen zusammen, die für Sozialabbau, für auswärtige Militäreinsätze, letztendlich für neoliberale Politik stehen.
    Und wieso sollte sich die Politik der Konzerne verändern, wenn Frauen entsprechend der geforderten Quote in Führungsgremien arbeiten?
    Diese Logik erschließt sich mir nicht.
    Ich glaube auch nicht, das eine Regierung
    der CDU/FDP, die nur aus FRauen besteht,
    keine neoliberale Politik betreiben würde.

    In dem Teil der Öffentlichkeit, der sich mit uns verbunden fühlt, entsteht durch solche Bündnisse ein fataler Eindruck.
    In Gesprächen mit Bürgern am Infostand
    geraten wir nur zu schnell in Erklärungsnot. Denn natürlich kommt sofort die Frage: Seid ihr denn auch für
    Quoten bei der Müllabfuhr und in der gewerblichen Industrie?
    Oder seid ihr nur für Quoten für Karrierefrauen?
    An Infoständen stehen übrigens überwiegend Männer (jedenfalls in meinem Ortsverein), die jetzt für solche Positionen geradestehen sollen.
    Und ich dachte bisher, die Linke steht für die untere Hälfte unserer Gesellschaft, also für alleinerziehende Mütter, Prostituierte, arbeitslose Frauen, HartzIV-Empfängerinnen, Niedriglöhnerinnen, etc., und nicht für Frauen der Oberschicht.
    Ich denke, das ist auch weiterhin so,
    dieses unser Profil wird aber leider durch o.g. Bündnisse verwischt.
    Meines Erachtens führt die Beteiligung an
    diesem Bündnis zu einer Schwächung unserer
    Positionen, nach aussen und auch nach innen.
    .
    Der Vergleich mit der Friedensbewegung hinkt übrigens etwas, denn reaktionäre Frauen (wie z.B.Frau Springer) waren damals nicht dabei.

  3. Kersten Artus sagt:

    Heine – #3 – 05.01.2012 07:19 – (Antwort)

    @ Bodo

    „Meines Erachtens führt die Beteiligung an
    diesem Bündnis zu einer Schwächung unserer
    Positionen, nach aussen und auch nach innen.“

    So ist es. Leider. Aber es ist so.

Schreibe einen Kommentar zu Kersten Artus Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert