Stundenlang ohne Drehbuch

Eigentlich sind Bürgerschaftssitzungen komplett durchregiert. Wortmeldungen für Debatten und das Abstimmverhalten der Fraktionen stehen weitgehend fest, die Tagesordnung sowieso.
Diesmal war alles ganz anders. Zur Wahl stand der künftige Präsident des Rechnungshofes, Stefan Schulz. Wahlen sind eher unaufregend in der Bürgerschaft, vor allem, wenn es sich um solche Ämter handelt. Die Mehrheiten sind sicher.
Diesmal nicht: Der Kandidat fiel durch, weil er nicht die erforderliche Mehrheit von zweidrittel (81 von 121) der Abgeordnetenstimmen erhielt: er bekam nur 78.

Daraufhin fanden Ältestenrats- und Fraktionssitzungen im Wechsel statt. Premiere: Auch der Bürgermeister ließ sich kurz beim Ältestenrat blicken, um zu sagen, dass Schulz ein zweites Mal als Wahlvorschlag des Senats eingereicht wird. Ich fand diese Ältestenratssitzung insofern spannend, weil fast alle recht unaufgeregt waren, ihre Beherrschung aber nur mühsam aufrecht erhielten. Nicht allen gelang es.

Für den neuen (alten) Wahlvorschlag musste die Tagesordnung geändert und eine neue Drucksache drauf gesetzt werden. Aber wo findet man dieses Procedere in der Geschäftsordnung? Und stimmt das dann auch so, wie es da steht? Und wer, außer den üblichen Geltungssüchtigen auf Parteitagen aller Coleur, blättert schon andauernd in Geschäftsordnungen? Hat mal jemand die Geschäftsordnung zur Hand? Keine Sorge, es liegen immer genug herum …

Interessant waren dann die Tweets diverser Abgeordneter auf Twitter. SPD und CDU schoben sich gegenseitig die Schuld zu. Mit den richtigen Zusammenhängen und Ursachen hatten vor allem die Sozis ihre Probleme.

Tatsächlich muss die SPD-Fraktion sich vorwerfen lassen, dass sie mit ihrer Absicht, einem Rechnungshofpräsidenten kein zu gutes Wahlergebnis zu bescheren, übertaktiert hat. Sie wollen als Regierungspartei nicht von einem starken Präsidenten für ihr Finanzverhalten kritisiert zu werden. Sie hat damit das Amt beschädigt. Schuld von sich zu weisen ist zwecklos. Vorschnelle Tweets peinlich.

Durchgeplante Bürgerschaftssitzungen sind übrigens auch abwechslungsreich.

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