Rustikal und wetterfest

Ob als Bürgerschaftsabgeordnete oder als Vizepräsidentin – ich werde zu vielen Veranstaltungen eingeladen. Die meisten sage ich ab. Weil ich sonst fast nur noch irgendwo einen Vortrag hören, einem Konzert oder einer Ausstellung beiwohnen würde. Empfänge im Rathaus nehme ich oft an, vor allem, wenn sie meine Fachgebiete betreffen, etwa am Dienstag den Senatsempfang zum Internationalen Tag der Pflege. Ich treffe dort Leute, die ich kenne, oder ich lerne Leute kennen, die interessant sind.

Es gibt Einladungen, da weiß ich nicht, wie die GastgeberInnen dazu kommen, sie an mich zu schicken. Eine aus dieser Kategorie erreichte mich letzte Woche. Der Kommandeur des Landeskommandos Hamburg und der Landesvorsitzende des Verbandes der Reservisten bitten mich und Begleitung zu sich. Wohin? In die Schießanlage Boostedt. Wozu? Zu einem Vergleichsschießen mit Gästen.

Ich finde das unfair. Ich kann nicht schießen. Wer sich mit mir im Schießen vergleichen will, kann nur gewinnen, vor allem, wenn es sich um Reservisten handelt. Die üben doch regelmäßig das Anlegen, Anpeilen und Abdrücken ihrer Knarren. Haben die keine Schießpartner, mit denen sie sich messen können? Sind unsere Reservisten zu Weicheiern verkommen? Was ist, wenn Morgen Krieg ausbricht? Der ist ja verloren, sobald unsere Reservisten aufs Feld ziehen, um uns zu verteidigen.
Ja früher, als ich als Jugendliche noch im Spielmannszug die Querflöte blies, war ich oft auf Schützenfesten. Da haben wir schon mal aus Spaß geschossen. Aber das ist lange her. Es lag mir auch nicht, meistens voll daneben.

Anfang der 1980er habe ich dann als Jungfeministin und Friedensaktivistin prophylaktisch den Dienst an der Waffe bei der Bundeswehr verweigert. Das Schreiben muss es noch irgendwo geben.

Der Landesvorsitzende der Reservisten weiß das vielleicht nicht. Aber es sei ihm hiermit gesagt: Ich schieße seitdem nicht mehr!

Aber selbst wenn – hypothetisch -, stehe ich vor einem weiteren Problem: Was zöge ich an?

In der Einladung zum Vergleichsschießen steht nämlich auch, was getragen werden soll: Militär: Feldanzug, Grundform. Zivil: Rustikal und wetterfest.Also müsste ich sogar ein einschlägiges Geschäft aufsuchen? Guten Tag, ich hätte gern etwas Rustikales zum Vergleichsschießen!

Geht irgendwie alles nicht. Also: Absage. Ich freue mich stattdessen auf meine friedlichen Einladungen, bei denen ich tragen kann, was der Kleiderschrank hergibt und meine Waffe das Argument und das freundliche Gesicht sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert