Eine Fahrkarte und eine Taxiquittung

Wer seinen Arbeitgeber betrügt, fliegt. Dann nutzt selbst ein Betriebsratsmandat nichts. Die Firma Neupack mit ca. 200 Beschäftigten will ihren Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes fristlos kündigen, weil er eine falsche Zugfahrkarte und eine dubiose Taxiquittung abrechnen wollte. Betrug!

Zum Gütetermin vor dem Hamburger Arbeitsgericht waren heute viele Kollegen und Kolleginnen, Bekannte und GewerkschafterInnen gekommen. Stehend hörten viele Gäste dem Dialog zwischen der Richterin Belasio und dem Arbeitgeberanwalt zu. Gerald, Mehmet und ich waren auch dabei – und mussten Unglaubliches zur Kenntnis nehmen:

Die Kostendifferenz bei der Fahrkarte ergab sich daraus, dass eine weitere Person mit Bahncard auf dem Ticket mitgefahren war. Die Taxiquittung hatte der Arbeitgeber nicht im Original vorgelegt. Das wars. Auf diesen dürren Indizien baute die gesamte fristlose Kündigung auf – die der Betriebsrat bereits in seiner Stellungnahme wiederlegt hatte. Richterin Belasio machte deutlich, das sie keinesfalls ausreichende Gründe sah, Murat zu kündigngen, allenfalls könnte das Unternehmen die Fahrkarten nicht anerkennen – und eben nicht zahlen. Der Arbeitgeberanwalt sagte zu, die Faktenlage zu prüfen. Eine kurze Frist wurde ihm dafür gesetzt.
Selten habe ich eine derart inszenierte und schlechte Vorstellung vor Gericht gesehen. Warum?, fragt man sich, blamiert sich da jemand so offentlichtlich bis auf die Knochen? Ist es das Mürbemachen, worauf da ein Personaler gesetzt hat? Ist es der Versuch, im Nebel zu stochern in der Hoffnung, mal einen Treffer zu landen?

Wer mehr über den Betrieb erfährt, begreift das Schauspiel, für das öffentliche Gelder, Richterressourcen missbraucht und Nerven getreten wurden: Murat ist auch Mitglied der betrieblichen Tarifkommission. Die Belegschaft kämpft um einen Tarifvertrag, der gerechte Entlohnung vorsieht. Erst im Mai hatte es einen erste Verhandlungsrunde gegeben. Danach wurden alle weiteren vereinbarten Temrine abgesagt.

Es sind die Signale, die der Arbeitgeber gezielt aussenden will – mittelbar trifft er die Belegschaft, die er wohl hofft, einschüchtern zu können.

Dieser Versuch wurde vielleicht erst einmal abgewehrt. Doch wenn ein Unternehmer bereit ist, so eine einfältige Eskalation herbeizuführen, zu was ist er noch fähig?

Solidarität ist gefragt. Mindestens, bis der Tarifvertag unter Dach und Fach ist. Von uns bekommt Murat sie, von der IG BCE – und von vielen weiteren Bekanten und KollegInnen, die nicht nur heute an seiner Seite standen. Und die signalisierten: Nicht mit uns!

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