Mehr Männer in Kitas – eine feministische Kritik

Meine Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft am 29. August 2012, zum Antrag der CDU Kinder und Jugendliche brauchen auch männliche Vorbilder – Mehr Männer in die Hamburger Kitas, habe ich für eine feministische Kritik genutzt. Keine/r meiner Vorredner_innen hatte sich ernsthaft damit auseinandergesetzt, welche Folge die Erhöhung des Männeranteils bei den Erzieher_innen für die Frauen und die Kinder hat. Hier ist meine Rede nachzulesen, die hier auch angeschaut und -gehört werden kann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen,

betrachtet man die Ursachen dafür, warum bestimmte Berufe fast nur Frauen ausüben, stellen wir fest, dass es die ehemals unbezahlte und privat geleistete Arbeit ist, die verberuflicht wurde. Gleichzeitig ist die gesellschaftliche Anerkennung dieser Berufe gering. Und je länger diese Arbeit nur oder fast ausschließlich von Frauen ausgeübt wird, desto länger dauert der Abwertungsprozess.

Der Wechsel von typischen Frauenberufen in gemischtgeschlechtliche Berufe erfolgt immer dann, wenn Männer vermehrt in ein Berufsfeld einsteigen, in dem die Professionalisierungsprozesse abgeschlossen sind: wenn also Kontrollpositionen gebildet worden sind und die Bürokratisierung und Hierarchisierung begonnen hat.

Diese Situation trifft auf die Kitas und den Beruf der Erzieherin/des Erziehers zu.

Da Hamburg seit Jahren die meisten Kita- und Krippenplätze unter den westlichen Bundesländern aufweist und damit bereits schon immer überproportional vielen Eltern eine Kinderbetreuung anbieten konnte, verwundert es also nicht, dass Hamburg immer auch den höchsten Männeranteil in Kitas hatte – und zwar sogar im Vergleich zu allen 16 Bundesländern. Der evangelische Pressedienst meldete in diesem Jahr anlässlich des Boys Day, dass 1.058 Männer unmittelbar mit der pädagogischen Betreuung von Kindern in einer Kita befasst oder als Tagesvater aktiv sind – das ist eine Quote von 9,1 Prozent. Bayern weist nur 2,5 Prozent auf. In Harburg finden wir übrigens eine herausragend schlechte Männerquote – sie lag 2009 bei nur 5 Prozent Quelle: SKA der SPD, Drucksache 19/7370

Ich finde es richtig, mehr Männer zu Erziehern auszubilden. Aber ob der Antrag der CDU das Thema ausreichend erfasst, richtig analysiert und die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden, bezweifle ich. Ich komme vielmehr zu dem Schluss, dass der Antrag unzulänglich ist und von der falschen Annahme ausgeht, mit einer Erhöhung der Männeranteils wären die Probleme sozusagen geritzt. Die CDU will eine verbindliche Männerquote von einem Viertel.

Sie will noch mehr Öffentlichkeitsarbeit, sie will den von der SPD geplanten Personalabbau im öffentlichen Dienst dafür nutzen, die entlassenen Männer als Erzieher umzuqualifizieren. Sie will das Modellprojekt auf alle Kitas ausweiten. In der Presseerklärung der CDU steht dann noch zu lesen, dass es vor allem um die Jungen geht, die Nachteile haben, weil so wenige Männer in den Kitas arbeiten. Deswegen seien Jungen Bildungsverlierer.

Ihr Plan geht von mehreren falschen Annahmen aus. Vor allem befasst er sich mit keiner Silbe mit den Folgen für die Erzieherinnen und für jene, die es gerne werden möchten. Und was ich besonders schlimm finde: Der Antrag und die gesamte Debatte um mehr Männer in Kitas entwertet die tolle und auch harte Arbeit der Kolleginnen in den Krippen, Kitas und Horten. So als ob alle Jungs und Mädchen defizitär erzogen werden, weil sie überwiegend durch Frauen frühkindliche Bildung erfahren. Das ist im Grunde zwar typisch und zeigt, wie gering die Arbeit von Frauen wertgeschätzt wird. Damit muss nun aber endlich einmal Schluss sein, sehr geehrte Herren und Damen, das sind wir unseren Erzieherinnen schuldig!

Kommen wir mal zu der Behauptung, Jungen sind Bildungsverlierer. Es gibt Studien, die das untermauern. Diese blenden aber aus, dass die soziale Herkunft ausschlaggebend für Schulnoten und Bildungskarriere ist. Die allernächste Umgebung ist verantwortlich dafür, welche Leistungen Kinder in der Schule erbringen. In Elternhäusern, in denen Erwerbslosigkeit, geringfügige Einkommen oder auch der unsichere Aufenthaltsstatus die dominierenden Themen sind, gibt es kaum Raum, Weiblichkeit oder Männlichkeit zu gestalten. Das sagt Frau Professorin Hilde von Balluseck, die an der Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialpädagogik in Berlin lehrt, hat sie den Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ entwickelt. Es ist eine unzutreffende Annahme, das männliche Erzieher das kompensieren können.

Balluseck kritisiert auch, dass es immer noch einen einen völlig idiotischen Lernbegriff gibt. Lernen sei vom Vergnügen entkoppelt, der Betreuungsaspekt stände bei Kleinkindern immer noch zu sehr im Vordergrund. Die Erzieherausbildung sei nicht mehr zeitgemäß.

Hinzu kommen die Arbeitsbedingungen, die einer kindgerechten – also mädchen- wie jungengerechten – Pädagogik oft im Weg stehen. Und es kommt natürlich auch das geschlechtsspezifische Verhalten der Erziehenden hinzu. Das leben Männer aber genauso wie Frauen vor, wenn sie im Erzieherberuf sind. Es kommt daher vor allem darauf an, wie Erziehende ausgebildet werden, männliche wie weibliche. Ein eindimensionaler Blick auf Jungen und die bloße Vorbildfunktion eines männlichen Erziehers ist ein defizitärer Ansatz der CDU. Jungen sind nicht ansich die Bildungsverlierer. Mit diesem Mythos muss endlich aufgehört werden. Er hält empirischen Untersuchungen nicht stand.

Würde nun so pauschal, wie von der CDU gefordert, die Männerquote unter den Erziehenden erhöht, hätte dies in der Konsequenz zur Folge, dass Männer in noch breiterem Maß die wenigen Führungspositionen der Kitas besetzen – auch das ist erwiesen und heute bereits der Fall. Wenn also eine Quote für männliche Erzieher gefordert wird, müsste konsequenter weise auch eine Quote für Führungspositionen in Kitas hinzu.

Wir brauchen mehr Menschen, die sich zu professionelle Erziehenden ausbilden lassen. Männer wie Frauen. Wir benötigen eine bessere Ausbildung, mehr Vollzeitarbeitsplätze, bessere Bezahlung. Und nur weil ein Mensch seine primären Geschlechtsorgane außerhalb seines Körpers trägt, befähigt ihn das noch lange nicht dazu, ein Vorbild für Jungen zu sein!

DIE LINKE freut sich über jeden Mann, der Vorurteile überwindet und sich zum Erzieher ausbilden lässt. Wenn das aber zu Lasten der Frauen geht, wenn sich an der Qualität der Erzieher-Ausbildung nichts ändert und wenn ansonsten nichts zur Überwindung der sozialen Spaltung unternommen wird, dann werden auch mehr Männer in Kitas nicht das bewirken, was sich CDU-Politiker so vorstellen. Im Gegenteil. Dann wird die Forderung, mehr Männer in Kitas, zu einer frauen- und mädchendiskriminierenden Angelegenheit.

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