Streit um erforderliche Betriebsratsarbeit – das Urteil

Vor zwei Jahren leitete mein Arbeitgeber eine Anhörung zur fristlosen Kündigung meines Anstellungsverhältnisses ein. Nach einer Mediation mit drei jeweils mehrstündigen Sitzungen wurde die Kündigung zurückgezogen.

Parallel musste ich Klage einreichen, denn in der zweiten Jahreshälfte 2010 wurden mir fast 3.400 Euro Gehalt abgezogen. Das Arbeitsgericht hat am letzten Mittwoch ein Urteil gesprochen: Etwas über 1.500 Euro erhalte ich nachbezahlt, 54 Prozent der Prozesskosten muss ich tragen.

Ich möchte zunächst sagen: Ich bin heilfroh, dass die so genannte Beweisaufnahme abgeschlossen ist. Dicke Stellungnahmen sind in diesen zwei Jahren hin und her gegangen: Ich habe minutiös aufgelistet, was ich wie lange an Betriebsratsarbeit verrichtet hatte. Ich habe selbst aufgeschrieben, wann ich auf der Toilette gewesen bin.

Strittig war, ob mein Tun nach dem Gesetz erforderliche oder (nur) notwendige Betriebsratsarbeit war und ob ich die „betrieblichen Belange“ berücksichtigt habe. Beispiele: Warum benötigte ich über eine Stunde, um einen Betriebsräte-Newsletter zu verteilen? Warum dauert die Erstellung dieses Newsletters soundso lange? Warum habe ich ein Beratungsgespräch nicht später geführt?

Ich bin oft genug gefragt worden: Dürfen die das überhaupt wissen?

Ich habe in diesen zwei Jahren gelernt: Diese Frage ist müßig. Die Rechtssprechung regelt diesen Anspruch in einem abgestuften Verfahren. Es geht nicht darum, was eine Betriebsrätin darf und was sie nicht darf. In eine derartige Situation kommst es m.E., wenn ein anderer Konflikt dahinter liegt – und Geldabzug tut eben richtig weh.

Grundsätzlich ist es aber so, dass man bei anstehender Betriebsratsarbeit und nicht freigestellt immer sagen muss, wie lange sie voraussichtlich andauert. Und damit sich der Arbeitgeber ein Bild machen kann, kann er stichwortartige bzw. pauschale Angaben über die Art der BR-Arbeit verlangen. Beispiele: Betriebsratssitzung, Beratung, Sprechstunde, Schriftverkehr, Betriebsbegehung, Protokoll schreiben.

Seit ich Konzernbetriebsratsvorsitzende bin, also seit 2004, stelle ich mich selbst voll frei. Vorher hatte ich eine gute Balance zwischen meinem Job und der BR-Arbeit. Seitdem war es immer wieder zu kleinen Zeitkonflikten gekommen.

Es ist, wie es ist: Vielen Betriebsräten werden Daumenschrauben angelegt, die unterschiedlicher Art sind. Gehaltskürzungen ist eine davon. Das Beispiel von Libri Hamburg und der Beauftragung einer Detektei eine andere Form. Abmeldungen werden hinterfragt, angezweifelt. Dieses und jenes dauerte zu lange oder war gar nicht erforderlich im Sinne des Gesetzes und der Rechtsprechung.

Der Richter hat nun in meinem Fall entschieden, dass es ungefähr die Hälfte der von mir abgemeldeten Zeit gewesen ist, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht erforderliche Betriebsratsarbeit gewesen ist. Das schmerzt und ich wünsche niemandem, das Gleiche zu erleben. Es schmerzt, weil man sich behindert fühlt in seinem Engagement für die Beschäftigten.

So ein Urteil darf aber vor allem nicht einschüchtern. Es ist nicht das erste, landauflandab gibt es Entscheidungen dieser Art. Betriebsratsarbeit ist beseelt von eigenem Ermessen und von etwas, was zwischen Sozialarbeit, Arbeitsrecht und politischem Selbstverständnis liegt. Sie steht im Spannungsverhältnis zu den konkreten betrieblichen Rahmenbedingungen. Oder anders gesagt: Ob ich wie eine Klassensprecherin wurschtel oder eine gesetzliche Interessenvertretung im Spannungsfeld zwischen Kapital und Arbeit wahrnehme, macht die Bandbreite aus. Zwischen dem schnellen Ratschlag und der solidarischen Begleitung besteht nicht nur ein zeitlicher Unterschied.

Wie es nun weitergeht, wird in einigen Wochen entschieden. Dann liegt die schriftliche Begründung vor. Dann kann jede Seite entscheiden, in die zweite Instanz zu gehen.

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