Ein Abend zu „Digitaler Kompetenz in der Politik“

Toll wars, Überraschend. UPDATE Viel gelernt voneinander. Ich hatte das Netzwerk von DigitalMediaWomen für dieses Thema in das Hamburger Rathaus eingeladen: Am Ort des Geschehens. Dort, wo die Abgeordneten ihre Bürgerschaftssitzungen veranstalten, Tagesordnungen festlegen, debattieren, abstimmen.

20 Frauen und Männer kamen auf Einladung des Netzwerks DMW, das vorwiegend Menschen verbindet, die in den sozialen Medien beruflich unterwegs sind, als Dienstleistende für Unternehmen arbeiten, programmieren. Online kommunizieren sowieso.

An diesem Abend war Twittern während der Diskussion ausdrücklich erwünscht. Und so vibrierte mein auf lautlos gestelltes Smartphone ständig – wenn die Tweets der Gäste mit Kommentaren, Zitaten und Fotos in meine Timeline flossen.

Müssen Abgeordnete auf Facebook vertreten sein? Vielen der Anwesenden war das ziemlich egal. Das Präsentiergehabe, die Zurschaustellung der politischen Persönlichkeit wurde unumwunden abgelehnt. „Mich interessieren die Themen, nicht der Politiker“, sagte Svenja Teichmann. „Für einen inhaltlichen Austausch ist Facebook auch nicht geeignet“, fasste mein Diskussionspartner Niels Boeing von Recht auf Stadt zusammen.

Der Webauftritt der Bürgerschaft stieß ebenfalls auf Kritik. Ich konnte immerhin informieren, dass er derzeit überarbeitet und dann moderner wird. Dennoch: Für einen angemessenen interaktiven Austausch fehlt es der Bürgerschaftskanzlei auch künftig an ausreichend Personal. Ein paar mehr Programmierer einstellen, wie Niels forderte? Das wird nicht passieren in Anbetracht der Haushaltslage. Allerdings kann man derzeit auch nicht einmal alle Abgeordneten direkt über das Portal digital erreichen, nur bei wenigen steht die E-Mail- oder Webadresse.

Kollidiert die immer stärker geforderte BürgerInnenbeteiligung mit dem Politikerdasein? Das Publikum, Durchschnittsalter geschätzte 35 Jahre, fühlt sich nicht ernst genommen. Und wird es auch nicht: In den Bezirken finden zwar Anhörungen statt, aber letztlich bestimmen dann doch die RepräsentantInnen, was umgesetzt wird. Als gutes und zugleich schlechtes Beispiel dafür, wie sich die Bevölkerung erfolgreich gegen den Mainstream wehren kann, führte Nils die Rinderschlachthalle in der Feldstraße auf St. Pauli an: Die geplante Musikhalle konnte verhindert werden. Aber warum dann mit einem Mal das gesamte Gelände an EDEKA vermietet wurde, blieb intransparent. Die Privatisierung des öffentlichen Raums findet kontinuierlich statt!

Zwischen parlamentarischer Demokratie und dem Wahlvolk knirscht es heftig – mit der Folge, dass sich immer weniger für „die Politik“ interessieren. „Ich will nicht politisch sein!“, resümierte eine Frau ihre Ablehnung auf das herrschende System.

Veranstaltungen wie diese sind wichtig, um diese Brüche im System gemeinsam festzustellen. Denn auch meine Gäste stellten am Ende an vermeintlichen Kleinigkeiten fest, dass sie erstaunlich wenig über die Bürgerschaft wissen: Bürgerschafts-Pixibuch und Hörspiel für Kinder, Tag der Offenen Tür, Öffentlichkeit der Bürgerschaftssitzungen, Rathausführungen, wer ist eigentlich „mein/e“ Abgeordnete im Wahlkreis, die „klassische“ Petition, selbst abgeordnetenwatch.de – das alles sind Unbekannte. Natürlich wagten wir dann zum Gucken einen Schritt in den nur fünf Meter weiter liegenden Plenarsaal.

Ich habe aufgefordert, ihre Abgeordneten mehr zu fordern. Und nicht zu vergessen, dass es einen Bevölkerungsteil gibt, der per se abgeschnitten von Partizipation: die Armen, die täglich ums ihre Würde und ihr Überleben kämpfen. Sie werden von der Digitalisierung der Gesellschaft abgeschnitten.

Der Parlamentarismus muss sich aber vor allem an die eigene Nase fassen und die Abgeordneten kritisch die undemokratischen Auswüchse beleuchten. Mit einem Profil auf Facebook ist es nicht getan. Termine zu posten, Fotos zu senden und sich darauf zu beschränken, Freundschaftsanfragen anzunehmen, sollte in der Bilanz eher dazu führen, das Profil wieder aufzugeben. Ehrlichkeit kommt nämlich immer noch am besten an! Das Transparenzgesetz ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Aber mehr Medienkompetenz ist nötig. Was derzeit von den meisten Abgeordneten geleistet wird, ist vergleichbar, als wenn man mit dem Auto mit 15 km/h über die Straßen schleicht, dauernd blinkt und die Scheibenwischer betätigt .

Wer will die Menschen, Geburtsjahrgang 1980 und jünger, noch verstehen, wenn man mit ihnen nicht auf einer Wellenlänge kommuniziert? Wer das ignoriert und sich nicht korrigiert, macht vielleicht Parteikarriere. Aber auch die Piraten hoffähig.

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