Streik bei Neupack: Senat versteht Tarifautonomie falsch und kommt Aufsichtspflichten nicht nach

Seit drei Wochen streiken die Beschäftigten der Firma Neupack GmbH & Co. KG in Stellingen. Sie fordern zusammen mit ihrer Gewerkschaft IG BCE einen Tarifvertrag, der ihnen gleiche Löhne für gleiche Gehälter sowie planbare und regelmäßige Gehaltserhöhungen sichert. Die Solidarität in Hamburg ist überwältigend – auch aus dem Rathaus: Bürgerschaftsabgeordnete von Linksfraktion und SPD haben sich mit den Streikenden vor das Werkstor gestellt.

Umso so verwunderlicher ist die Antwort des Senats auf eine Anfrage der wirtschaftspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Kersten Artus. Obwohl es konkrete Hinweise und Verdachtsmomente gegeben hat, dass beim Bedienen der Maschinen und der Dauer des Einsatzes durch polnische Leiharbeiter erheblicher Missbrauch begangen wurde und Verstöße stattgefunden haben, hat der Senat dies nicht zum Anlass genommen, zu prüfen, ob gesetzliche Auflagen beim Arbeitsschutz und Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Im Gegenteil: Auf konkrete Fragen, die sich auf die gegenwärtige Situation beziehen, antwortet der Senat mit Informationen aus der Vergangenheit.

Der Senat hatte z.B. auf die Frage, in welchem Umfang die Bestimmungen des Arbeitsschutzes und des Arbeitsrechts derzeit im Unternehmen durchgeführt werden, geantwortet, dass Betriebsbesichtigungen zwischen 2006 und 2011 keinen Hinweis darauf gegeben haben, dass Pausen- und Ruhezeiten nicht eingehalten werden.

Ebenso ausweichend antwortet er auf die Einhaltung von Arbeitszeiten und Sicherheitsbestimmungen. So wäre aber z.B. überprüfen gewesen, ob eine ausreichende Anzahl von ErsthelferInnen im Betrieb ist, ob die Fluchtwege den Leiharbeitern bekannt gemacht wurden oder ob die Arbeitszeiten dokumentiert werden.

Der Senat verwechselt ganz offenbar das Gebot der Tarifautonomie mit seinen gesetzlichen Auflagen. Dass sich offenbar kein Beamter die Fabrik von innen angesehen hat, um Schutzvorschriften und Sicherheitsbestimmungen zu überprüfen, wenn Betriebsfremde durch die Unternehmerfamilie Krüger herangekarrt und an ihnen unbekannte Maschinen gestellt werden, ist unverantwortlich. Damit wurden zum einen die Gesundheit der polnischen Leiharbeiter gefährdet, zum anderen der Streik unterwandert.

Das falsch verstandene Diktat der Tarifautonomie gilt offenbar als Freifahrtschein für ungesetzliches Verhalten bestreikter Betriebe. Der Senat ist offenbar blind, wenn es darum geht, sich ein Unternehmen vorzuknöpfen, das Arbeitnehmerrechte mit den Füßen tritt.

Dass auf den Senat kein Verlass ist, ist bitter für die betroffenen ArbeitnehmerInnen. Es ist aber einmal mehr Ansporn, die Solidarität zu verstärken, um den Streikenden den Rücken zu stützen.

Dass die Behörden untätig geblieben sind, obwohl es konkrete Hinweise auf die Verletzung von Vorschriften gegeben hat, sollte alle, die sich mit den Streikenden solidarisieren, auf den Plan rufen. Das erwarte ich vor allem von jenen, die die Regierungsgeschäfte der SPD kontrollieren – die Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft.

Ich appelliere außerdem an die Familie Krüger, dass sie sich mit der IG BCE endlich wieder an den Verhandlungstisch zu setzen und einen Tarifvertrag auszuhandeln: Tarifverträge sind Friedensverträge. Vielleicht sollte auch die Jahreszeit die Geschäftsführung mit motivieren, endlich für Frieden zu sorgen.

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