Denke ich zurück an den April 2011, denke ich an die Hochzeit von William und Kate Windsor. Das Ereignis wurde parallel in ARD und ZDF übertragen und selbst die seriösesten Medien präsentierten das adelige Highlight überdimensional. Als wenn es nichts Wichtigeres gegeben hätte.
Das royale Traumpaar ist derzeit wieder viel in den Medien. Endlich ist es gelungen, ein Thronfolgerchen zu zeugen. Dass man an der Schwangerschaft der Herzogin mit ungefähr stündlich aktualisierten News teilhaben kann, dafür sorgen Presse und Rundfunk jetzt erneut – Königskinder bringen Quote! Mitleid mit der werdenden Mutter muss man übrigens nicht haben, denn es ist ihr freigewählter Beruf, Queen & Co. durch die Offenlegung ihres Privatlebens und der Familienplanung zu bewerben.
Im April 2011 übertrugen ARD und ZDF die Hochzeitzeremonie sechs Stunden lang parallel. Die Fahrt zur Kirche, die Trauung, das Winken auf dem Balkon, der Kuss – GebührenzahlerInnen saßen in der ersten Reihe und bekamen feuchte Augen. Es bestand stundenlang keine Chance, ein anderes Informationsbedürfnis mittels der beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender zu befriedigen. Das fand ich kritikwürdig.
Ich schrieb die Programmdirektoren von NDR und ZDF an
Die Hochzeit des britischen Kronprinzen William Windsor mit Catherine Middleton wird seit geraumer Zeit als Medienereignis des Jahrhunderts‘ angepriesen. Sie ist sicherlich ein Ereignis, über das eine Berichterstattung von ARD und ZDF erwartet wird. Dennoch ist es unvertretbar, dass die Übertragung über sechs Stunden lang ist. Weder dient die stundenlange Liveschaltung der Aufklärung, noch der Information, noch der Meinungsbildung oder der Unterhaltung. Es sind Millionen Euro, die verschwendet werden, weil sich ARD und ZDF mit den Privaten eine Konkurrenzschlacht liefern, die Folgen für die Sendegestaltung der Öffentlichrechtlichen haben wird. Das Geld muss an anderer Stelle wieder eingespart werden.
Im Hamburger Abendblatt machte sich ein Kommentator damals lustig über mich. Er schrieb:
Und die Linke vermutet wohl auch schon, wo der Rotstift angesetzt werde: an der Berichterstattung über sie selbst nämlich. Kürzlich hatte Linke-Parteichefin Gesine Lötzsch beklagt, dass das ZDF ihre Partei „einfach totschweigt“. Diese Ignoranz der zur Ausgeglichenheit verpflichteten öffentlich-rechtlichen Medien dürfe man nicht hinnehmen, immerhin hätten bundesweit fünf Millionen Menschen die Linke gewählt. Vielleicht überträgt das ZDF ja bald sechsstündige Diskussionen von einem Parteitag der Linken – wenn es sich diesen Ausgleich nicht einfach spart.
Ich habe das damals gelassen genommen, denn viele JournalistInnen verstehen nicht, dass linke Medienkritik über den Mangel der eigenen medialen Präsenz hinausgeht.
Jetzt haben wir Dezember 2012. Die Tagesschau feiert ihren 60. Geburtstag, Lanz versucht zum dritten Mal „Wetten, dass …?“, in drei Wochen löst die Haushaltsabgabe die GEZ-Gebühr ab. Und ich finde – eher zufällig, da niemand groß darüber berichtet – eine Pressemitteilung, in der es heißt:
Die Chefredakteure des Ersten und des ZDF, Thomas Baumann und Peter Frey, haben eine Vereinbarung getroffen, mit der die Zahl paralleler Live-Übertragungen royaler Ereignisse auf ein Minimum reduziert wird. Die Übertragungen finden künftig abwechselnd entweder im ZDF oder im Ersten statt.
Mich freut es, dass ARD und ZDF die Kritik mitgenommen haben und nun auch vermelden, dass sie sich strategisch künftig anders aufstellen. Es wäre zwar auch ansonsten eher nicht zu befürchten gewesen, dass die Geburt des Thronfolgerchens live im Fernsehen übertragen worden wäre. Aber ein Stück Glaubwürdigkeit haben die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihrer Entscheidung nun zurück erlangt.
[…] Welche Bedeutung der Adel für die Nazis hatte und wie weit es mit der Aufarbeitung des faschistisches Erbes wirklich gediehen ist, entblättert Ditfurth, die “nur einen einzigen Verwandten unter Hunderten fand (ich), der Juden und Sozialdemokraten nicht verabscheut hatte”. Und sie gibt schonungslose Antworten, kommt dabei fast immer ohne Kommentierung aus. Man fragt sich: Warum verklären wir heute immer noch Könige und Prinzessinnen, Barone und Gräfinnen, anstatt die reaktionäre Kaste des Adels in die Mottenkiste zu packen? “Der Baron, die Juden und die Nazis” ist daher auch eine überfällige Medienkritik, denkt man an die stundenlangen Live-Übertragungen von ARD und ZDF von Prinzenhochzeiten. […]