Der unsoziale SPD-Gesundheitshaushalt

Nach der gestrigen Generaldebatte über den neuen Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg debattierte die Bürgerschaft über den Etat der Gesundheitsbehörde. Was die SPD vorgelegt hat, ist sozial verantwortungslos! Hierzu habe ich grundsätzliche Anmerkungen gemacht und unsere Alternativen vorgestellt.

Die FDP sprach keine zwei Minuten – peinlich! Die CDU forderte die Abschaffung der Gesundheitsbehörde – populistisch! Nachfolgend ist meine Rede nachzulesen und hier sie auf YouTube anzuschauen. Heute und Morgen werden die anderen Etats besprochen. Ich rede noch einmal zur Wirtschaft.

Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft am 11. Dezember 2012 Haushalt der Gesundheitsbehörde

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen,

die Ausgaben für Gesundheit und Verbraucherschutz steigen in den nächsten zwei Jahren an. 2013 um fast fünf Prozent, 2014 um fast sieben Prozent. Das liegt leider nicht daran, dass der SPD-Senat mehr für die gesundheitliche Vorsorge und den Verbraucherschutz unternimmt, sondern weil mehr Menschen gesetzlichen Leistungen in Anspruch nehmen müssen.

Dies sind u.a. Hilfen zur Pflege, der Maßregelvollzug und die Eingliederungshilfen für Suchtkranke.

Ausgebaut und besser finanziell ausgestattet werden sollen die Familienhebammenprojekte. Aber dafür investiert Hamburg kein eigenes Steuergeld, sondern nutzt Bundesmittel.

Lediglich das klinische Krebsregister soll mit nennenswerten Eigenmitteln ausgebaut werden. Ein guter Beitrag aber zu wenig, um die brennenden sozialpolitischen Themen Gesundheit, der Pflege und dem Verbraucherschutz gerecht zu werden.

Ich kann also zusammenfassen: Hamburg steckt kein zusätzliches Geld in die gesundheitliche Prävention, in den Ausbau gesundheitlicher Versorgungsstrukturen sowie in bedarfsgerechte Unterstützung von gesundheitlich beeinträchtigten Menschen, um ihnen mehr Lebensqualität und Teilhabe zu ermöglichen.

Das, sehr geehrte Herren und Damen, ist keine gute Bilanz für eine Partei, die für sich soziale Gerechtigkeit proklamiert. Das findet unsere allerschärfste Kritik!

Ich konstatiere: DIE SPD braucht weder eine Große Koalition, noch eine FDP, um schlechte Kompromisse bei der Verteilung von Steuergeldern zu vereinbaren.

Sie vereinbaren diese ganz unproblematisch mit sich selbst. Die SPD hat ihren ersten eigenen Haushalt in Hamburg, nachdem sie zehn Jahre Opposition machen musste, nicht genutzt, um echte Pflöcke für mehr soziale Gerechtigkeit, für eine Aufhebung der sozialen Spaltung, zu setzen. Dass sie diese Chance, die Chance einer absoluten Mehrheit, vertan hat, um in der Gesundheitspolitik zu glänzen, ist unfassbar.

Gesundheit, sehr geehrte Herren und Damen, Gesundheit ist wohl der bedeutendste Indikator für den Zustand einer Gesellschaft.

Wenn ich Sie frage, was Sie sich am meisten für sich persönlich wünschen, dann werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen: Vor allem Gesundheit. Und je älter Sie werden, desto bedeutsamer wird das für Sie sein.

Und darum kann die Linksfraktion es nicht verstehen, dass der Etat der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz nicht ausgebaut werden soll!

Denn es fehlt doch überall. Es fehlt dem Öffentlichen Gesundheitsdienst an Ärztinnen und Ärzten. Es fehlt den Beratungsstrukturen an personellen und räumlichen Kapazitäten. Es fehlt den vielen ehrenamtlich Engagierten an struktureller Unterstützung. Es fehlt an Hilfen für die Familienplanung, es fehlen bedarfsgerechte Unterstützungen für pflegebedürftige Menschen. Es fehlt an allen Ecken und Enden.

Und dann legt die SPD auch noch ein Strick um den Hals bedeutsamer Einrichtungen dieser Stadt, der ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Dies betrifft
– die Verbraucherzentrale,
– das Institut für Hygiene und Umwelt,
– Zuwendungsempfänger und freie Träger,
– die Suchtselbsthilfe.

Die SPD setzt darauf, dass diese Einrichtungen sich Sponsoren suchen, dass sie Sachmittel reduzieren, dass sie Stellen weniger hochqualifiziert besetzen.

Und was die SPD einkalkuliert, aber sich nicht zu sagen traut, ist, dass diese Einrichtungen dann Lohndumping betreiben und Tarifflucht begehen werden. Das will die SPD nicht, sagen ihre Funktionsträgerinnen und -träger. Aber die SPD verursacht es mit Ihrer Haushaltsplanung.

Sie nennen das Herausforderung.

Ich nenne das Katastrophe.

Preis- und Tarifsteigerungen sollen selbst erwirtschaftet werden, sagt die SPD. Beim Institut für Hygiene und Umwelt sollen Personalausgaben schrittweise durch Altersfluktuation und Aufgabenkritik abgebaut werden.

Was ist Aufgabenkritik? Nach meiner 30-jährigen Berufserfahrung kommt da am Ende in der Regel nichts anderes als Überlegungen zur Steigerung der Selbstausbeutung und Arbeitsverdichtung heraus. Und das ist nicht stark und solidarisch.

Das ist unsozial.

DIE LINKE hat einige Vorschläge beantragt, die Zeichen setzen sollen. Für mehr soziale Gerechtigkeit setzen wir Zeichen der Solidarität.

Wir wollen das Soziale stärken.

So beantragt DIE LINKE, dass Verhütungsmittel ab 2013 in Hamburg für Bedürftige kostenlos abgegeben werden. Berlin macht das vor und ist damit erfolgreich. Die Familienplanung funktioniert bei ärmeren Menschen viel besser, der Schutz vor infektiösen Krankheiten ist besser gewährleistet.
Das entlastet das Gesundheitssystem, das entlastet Familien. Die SPD-Fraktion hat diesem, schon einmal von uns eingebrachten, Vorschlag im April 2010 zugestimmt. Wie verhält sich die SPD 20 Monate später? Ich fordere jetzt erneut Ihre Unterstützung.

Herr Dressel, Sie nennen das in Ihrer Presseerklärung „alter Wein in neuen Schläuchen“. Ich bin zusammengezuckt, als ich das gelesen habe. Ich finde diese Bewertung verantwortungslos!

DIE LINKE beantragt außerdem, dass Pflegebedürftige Wohngeld bei stationärem Aufenthalt und einen Investitionskostenzuschuss bei der Tagespflege bekommen. Das hat es in Hamburg schon einmal gegeben, das hat der CDU-GAL-Senat den Menschen weggenommen. Die SPD hat damals mit uns zusammen dagegen Dampf gemacht. Wie stimmen Sie heute? Setzen Sie ein Zeichen der sozialen Gerechtigkeit und entlasten sie ältere und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Wir alle wissen, dass die Pflege unterfinanziert ist und dass die Menschen Hilfe brauchen.

Ich verlasse mich nicht darauf, dass Sie ab Herbst 2013 vielleicht das gesamte Land regieren. Und selbst wenn, bin ich höchst skeptisch, dass Sie mit diesem Kanzlerkandidaten den Pflegenotstand beseitigen werden. Und die Hamburger SPD sollte das deswegen auch nicht tun.

DIE LINKE beantragt, der Suchtselbsthilfe weiterhin die Ausbildung von Gruppenleitungen teil zu finanzieren. Wir reden über eine kleine Summe, circa 60.000 Euro. Das wäre ein kleiner Betrag für den Haushalt. Aber eine große Hilfe für die ehrenamtlich Engagierten. Das ihnen das weggenommen werden soll, ist unsozial. Und es macht – selbst wenn ich Ihr Schuldenbremsen-Argument nachvollziehen wollen würde – den Kohl nicht fett. Wir sprechen hier über die Opfer schwerer Alkoholsucht, die in ihren Gruppen seit Jahren Halt finden.

Wir sprechen über Gruppen, die zunehmend durch Suchtkranke mit Doppeldiagnosen belastet werden. Die Ausbildung der Gruppenleitungen ist ein aktiver Beitrag zur Gesundheitsförderung – und sie entlastet das Gesundheitssystem in großer Höhe. Viele Selbsthilfeaktiven benötigen Dank dieser Gruppen nämlich nicht einmal eine weitere Therapie. Geben Sie sich einen Ruck und unterlassen Sie diese Kürzung.

DIE LINKE beantragt, die Verbraucherzentrale zu stärken. Ihre institutionelle Förderung liegt weit hinter den anderen Bundesländern. Die jetzt einkalkulierten Folgen der Nichtweitergabe der Tariferhöhungen für die Gehälter sind
– die Einstellung des kollektiven Rechtsschutzes und
– eine Reduzierung des Beratungsangebots.
Das wird arme Menschen treffen. Es wird aber auch der ganzen Gesellschaft schaden, denn die Folgewirkungen werden sich auf die Ausgaben der Personenhaushalte auswirken. Ich fordere Sie daher auf, unserem Antrag zuzustimmen.

DIE LINKE beantragt, das Institut für Hygiene und Umwelt weiterhin in vollem Umfang mit Geld- und Personalmitteln auszustatten. Es erfüllt einen bedeutenden Auftrag und ich kann nicht verstehen, dass Feuerwehr, Polizei und Schulen von Personalabbau ausgenommen werden, das HU aber nicht. Nur weil es nicht so sichtbar ist? Geben Sie diesen Plan auf und statten Sie das Institut vernünftig aus!

DIE LINKE beantragt, für die SeniorInnenarbeit mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Das Seniorenmitwirkungsgesetz muss sich auch materiell für ältere HamburgerInnen auswirken.

Die Vor-Ort-Arbeit ist sehr wichtig. Ältere Menschen benötigen Anlaufpunkte, wo sie sich wohlfühlen, wo sie kompetente Ansprechpersonen haben, wo Sie Beratung finden, wo ihnen die Möglichkeit gegeben wird, teilzuhaben. Wir wollen den Bezirken mehr Geld zur Verfügung stellen, um dies zu gewährleisten. Was da ist, reicht nicht, um den wachsenden Bedarfen gerecht zu werden.

Stimmen Sie also unseren Anträgen zu und zeigen Sie Flagge für soziale Gerechtigkeit durch eine bessere gesundheitliche Versorgung in Hamburg.

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