SPD-Wirtschaftspolitik: Neoliberal, gleichstellungspolitischer Blindflug

Am zweiten Tag der Haushaltsberatungen ging es unter anderem um die Wirtschaftspolitik des Senats. Neben einer Generalkritik, dass sich die SPD weiterhin an der neoliberalen Standortpolitik des ehemaligen Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi orientiert, habe ich die Schwerpunkte Medien, Tourismus und Fachkräftemangel aufgegriffen. Die Rede war länger konzipiert, als ich Zeit zur Verfügung hatte.

Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft am 12. Dezember 2012 , Haushalt der Wirtschaftsbehörde

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen,

die SPD folgt der neoliberalen Standortlogik des ehemaligen Ersten Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi und seinen Nachfolgern konsequent und setzt in der Wirtschaftspolitik auf radikalen Wettbewerb.

Dies drückt sich im vorgelegten Haushalt für das Ressort Wirtschaft deutlich aus. So liebäugelt der SPD-Senat beispielsweise mit einer Öffentlich-privaten Partnerschaft beim CCH – wir haben hierüber erst vor wenigen Wochen in der Bürgerschaft gestritten.

Wir finden im Einzelplan jede Menge Wirtschaftsrhetorik. Wir vermissen aber die Substanz – auch vermeintlich sozialdemokratische Substanz. Wir vermissen konkrete Darstellungen, welche Auswirkungen Förderungen und Initiativen für die Menschen haben.

DIE LINKE befürwortet einerseits Maßnahmen wie Qualifizierungsinitiativen, die Förderung Klein- und mittelständischer Unternehmen, Existenzgründungen und die Fortentwicklung der Metropolregion.

Doch werden diese zu einseitig gedacht und durchgeführt. Dies hat DIE LINKE mehrfach, zum Beispiel anhand der Debatten um die Masterpläne Industrie und Handwerk, auch dargelegt.

Es drückt sich letztlich ein Dilemma aus: die SPD ist sich intern – fraktions- wie auch senatsseitig, oft völlig uneinig bei Wirtschaftsthemen. Diese Unentschlossenheit führt dann dazu, dass Projekte verzögert werden. Als Beispiele führe ich nur mal die Investitionsförderbank oder das AZUBI-Wohnheim an. Da hilft auch der autoritäre Stil Olaf Scholz‘ nicht mehr weiter.

Olaf Scholz. Dazu fällt mir die Medienpolitik ein. Auch das ist ein Beispiel, an dem die Widersprüchlichkeiten im Senat deutlich werden, wie ordentliches Wirtschaften nicht geht, sehr geehrte Herren und Damen.

Der erste Bürgermeister holt das Amt für Medien in die Senatskanzlei und macht die Medien zur Chefsache.

Er nennt sich ab und zu selbst kokett Mediensenator, aber wenn wir als Abgeordnete über Medien auf Bürgerschaftsebene reden, dann tritt Senator Frank Horch auf.

Die Regierungszeit des Mediensenators muss leider ernüchternd bilanziert werden. Außer dass Facebook seinen Deutschland-Sitz in Hamburg angesiedelt hat, ist wirklich nichts Positives passiert. Die Game-Industrie klotzt nicht mehr, sondern kleckert. Und die Medienwirtschaft konsolidiert sich derzeit auf Kosten ihrer Beschäftigten und rüstet sich für die anstehende Rezession.

Es war ein Schock: Gruner + Jahr holzt mit der Einstellung der Financial Times Deutschland über 300 Arbeitsplätze weg. Am Vorabend der Aufsichtsratssitzung hat sich Finanzvorstand Achim Twardy zwar noch zum Bürgermeister begeben, um ihn darüber vorab zu informieren.

Aber wenn die Gruner-Managerin Julia Jäckel dann wenig später offenbart, dass dieser Besuch deswegen stattgefunden habe, um Herrn Scholz – ich zitiere – „eine Einordnung“ zu geben, fällt es mir schwer, zu glauben, dass der Besuch ein respektvoller Akt gewesen ist.

Aber für die Medienunternehmer soll weiterhin ein hanseatisch-pfeffersäckisches Wohlfühlklima erzeugt werden. So dümpelt auch eine Entscheidung zu der Millionen-Investition in die Hamburg Media School vor sich hin.

Allen ist klar, dass es sich hier zum einen um eine Eliteförderung handelt und zum anderen um eine Doppelstruktur zur universitären Ausbildung. Entschieden wird aber deswegen nichts, weil man den Medienunternehmern nichts Böses will. Deswegen finden Sie auch den Antrag der Linken vor, mit dem wir fordern, die Fördermittel für die Hamburg Media School endlich einzustellen.

Medien sollen und müssen gefördert werden, sehr geehrte Herren und Damen. Allein schon aus kulturellen Gründen.

Aber ein 100.000 Euro-Zuschuss für Gruner + Jahr für den Henri-Nannen-Preis, und eine sinnlose Eliteschulen-Förderung sind nicht die geeigneten Mittel.

Gestärkt werden muss vielmehr die journalistische Unabhängigkeit. Gestärkt werden muss die Pressefreiheit.
Gestärkt werden muss die Medienkompetenz, und zwar nicht nur für Kinder.

Ein großes Problem ist, dass der Bürgermeister und Hamburger Mediensenator Olaf Scholz sich bei medienpolitischen Themen im Wirtschaftsausschuss nicht blicken lässt. Noch nicht einmal bei der ersten Lesung des Einzelplans war er dabei.

Das stößt auf meine schärfte Kritik, sehr geehrte Herren und Damen, so geht man mit der Bürgerschaft nicht um!

Ich möchte mich einem weiteren Thema widmen, dem Tourismus.

Hamburgs Wirtschaft wächst. Hierzu gehört auch der Tourismus. Einerseits ist das eine gute Idee: Hamburg ist eine attraktive Stadt, Hamburg ist auch eine gastfreundliche Stadt. Hamburgerinnen und Hamburger feiern gern.

Eine Frage muss aber ganz dringend gestellt werden neben den immer-hochpotenten Darstellungen zu Hamburgs Wirtschaftskraft und den Wachstumsphantasien: Wie viele zusätzliche TouristInnen verträgt die Stadt noch?

Die SPD plant den Ausbau Hamburgs zur Event-City. Das ist im Einzelplan nachzulesen. Noch mehr Veranstaltungen, noch mehr Rummel. Noch mehr Gäste sollen sich künftig auf dem Hafengeburtstag und anderen Festivitäten gegenseitig plattquetschen.

Was soll das, noch mehr TouristInnen für Hamburg einzuwerben? Es reicht doch völlig, wie viele jetzt schon nach Hamburg kommen? Die Gelder für Hamburgs Marketing sind völlig überdimensioniert geplant.

DIE LINKE sagt: Das Verhältnis muss angemessen bleiben, sehr geehrte Herren und Damen. Wir möchten alle feiern, aber wir möchten das Feiern auch genießen können!

Daher beantragt DIE LINKE als ein Signal, dass das Defizit, dass jeweils für die Jahre 2013 und 2014 mit je 340.000 Euro in den Haushalt für den Hafengeburtstag eingestellt werden soll, auf maximal 100.000 Euro begrenzt bleibt.

Ich möchte auf ein weiteres Thema zu sprechen kommen. Eines, das die Wirtschaftsbehörde ausgelassen hat.

Der Einzelplan 7, der die Wirtschaftspolitik des SPD-Senats abbildet, vergisst komplett die Frauen.

Denn haben mittlerweile haben alle erkannt, wie fatal es ist, in welchem Umfang die weiblichen Ressourcen in dieser Gesellschaft missachtet und verschwendet werden.

Die Folgen dieser männer-dominierten Sichtweise von Wirtschaftspolitik hat sich in Vergangenheit und Gegenwart fatal ausgewirkt. Sie darf für die Zukunft nicht mehr das bestimmende Denken sein!

– So ist Frauenarbeit schlecht bewertet und bezahlt,
– der Gläserne Deckel kappt in unglaublich hartnäckiger Weise die Entwicklung weiblicher Lebensläufe.
– Der Fachkräftemangel ist zu einem großen Teil Frauenmangel in qualifizierten Berufen. Er ist eine Folge der Zwangsteilzeit, – die Frauen aufgrund der von ihnen geleisteten Sorgearbeit wahrnehmen müssen.
– Frauenarmut ist – vor allem im Alter – durch den gewachsenen Niedriglohnsektor programmiert und kommt als soziale Dimension in den kommenden Jahren geradezu wie ein Tsunami auf uns zu.

Eine aktuelle Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes bestätigt diese Bilanz und kommt zu dem erschreckenden Ergebnis, dass der Niedriglohnsektor in der Metropolregion Hamburg besonders ausgeprägt ist.

Uwe Polkaehn, der DGB-Vorsitzende Nord sagt dazu gestern im Hamburger Abendblatt: „Es gibt immer mehr Billiglöhne, Zeitarbeit, Minijobs, prekäre Beschäftigung und Werkverträge – damit aber werden die Arbeitgeber weiter Fachkräfte vertreiben, denn der Norden Deutschlands gilt längst als Lohnkeller der Nation.“

Ich füge zwei weitere Zahlen aus der DGB-Studie hinzu: 25,5 Prozent aller Hamburgerinnen arbeiten im Niedriglohnbereich, 13,3 Prozent der Männer. In der Metropolregion ist es knapp jede zweite Frau!

Was heißt das nun für die Politik der Metropolregion, die wir auch im Wirtschaftsplan wiederfinden? Was heißt das an Hausaufgaben für Herrn Senator Horch?

Die Bevölkerung, vor allem die Weibliche, erwartet Lösungen und Antworten auf diese katastrophale Bilanz! Das Manifest der Wirtschaftsbehörde gibt hierauf nämlich null Antworten. DIE LINKE lehnt daher diesen Haushaltsplan mit besonderer Entschiedenheit ab.

DIE LINKE steht hingegen für:
– eine strikte Quote,
– gesetzliche Mindestlöhne,
– die Abschaffung des Niedriglohnsektors,
– die mehr Demokratie in den Betrieben

Sie steht im Übrigen gegen das frauen- und damit auch wirtschaftsfeindliche Betreuungsgeld der schwarzgelben Koalition auf Bundesebene. Auch das treibt nämlich die Frauen aus den Betrieben. Und das schadet der Wirtschaft.

Einige Forderungen davon proklamiert auch die SPD für sich. Aber warum richtet sich Ihre Wirtschaftspolitik nicht darauf aus? Das ist mehr als Arbeitsmarktpolitik. Das ist ein ganzheitlicher Blick auf das Wirtschaften. Den vermisst DIE LINKE beim SPD-Senat!

Werfen wir einen Blick in den Einzelplan 7, tauchen diese Dimensionen mit keiner Silbe auf. Und da helfen auch die Ankündigungen für das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm der SPD und andere Aussagen nicht weiter. Der Wirtschaftshaushalt wird jetzt und heute für die Jahre 2013 und 2014 beschlossen.

Die SPD hatte über 20 Monate Zeit, die Frauenfrage in der Wirtschaftsbehörde zu verankern und durchzusetzen. Wir finden davon nichts wieder. Ich muss Herrn Senator Horch konstatieren, dass sich seine Behörde in einem gleichstellungspolitisch im Blindflug befindet.

Sehr geehrte Herren und Damen,

ich habe Ihnen anhand von vier Schwerpunkten – den Medien, dem Tourismus, der Metropolregion, dem Fachkräftemangel – versucht deutlich zu machen, warum die Wirtschaftspolitik des SPD-Senats einer schnellen und durchdringenden Überholung unterzogen werden. Sie braucht andere Parameter, sie braucht andere Leitbilder. Diese müssen sich daran orientieren, welchen Nutzen das Wirtschaften und das unternehmerische Handeln haben sollen.

DIE LINKE steht für ein Wirtschaften, bei der der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Wir richten die Forderung an die SPD, sich ebenfalls hieran zu orientieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert