Streik bei Neupack in Hamburg: Eine Belegschaft kämpft, eine Stadt solidarisiert sich

Seit über drei Monaten stehen die Beschäftigten des Verpackungsmittel-Herstellers Neupack im Streik. Eine schichtarbeitende 200-köpfige Belegschaft, bezahlt mit niedrigen Löhnen, kämpft in zwei Werken – Hamburg-Stellingen und Rotenburg/Wümme (Niedersachsen) – für einen Tarifvertrag, der Gerechtigkeit und Transparenz sichern soll.

Der Streik hat in seiner Härte außergewöhnlich Ausmaße erfahren: Der Unternehmer Krüger setzt u.a. StreikbrecherInnen ein, die als Leiharbeitende aus Polen geworben wurden. Mittlerweile sind sie – befristet – eingestellt worden. Sicherheitsdienste provozieren körperliche Auseinandersetzungen mit Streikposten, Hunde werden zur Einschüchterung eingesetzt. Verletzungen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Kündigungen, darunter gleiche mehrere gegen den Betriebsratsvorsitzenden, sind Alltag.

Die Solidarität wächst. Waren es anfangs noch linke Kreise, so Zeitungsberichte, die den Streikenden beiwohnten, kommt mittlerweile Unterstützung aus breiten Teilen der Bevölkerung hinzu – auch aus der unmittelbaren Nachbarschaft, von Personal-, Betriebsräten und Vertrauensleuten aus anderen Branchen. Drei der fünf Bürgerschaftsparteien unterstützen die KollegInnen: SPD, Grüne und DIE LINKE. Durch zwei parlamentarische Anfragen der Linksfraktion wurde Neupack zum Thema in Wirtschaftsbehörde und Senat.

Auf Einladung der Linksfraktion zu einem Streikfrühstück kamen die Streikenden selbst ins Rathaus. Auf dem Landesparteitag der LINKEN sprach der Betriebsratsvorsitzende Murat Günes. Der Bezirksverband Eimsbüttel der LINKEN ist regelmäßig durch GenossInnen in der Streikjurte präsent. Es gab und gibt regelmäßige Besuche linker Abgeordneten vor Ort, Teilnahme an Solidaritätsveranstaltungen, Pressemeldungen. SPD und LINKE-Bundestagsabgeordnete kommen vorbei, der Erste Bürgermeister Olaf Scholz ließ sich auf dem SPD-Landesparteitag mit den KollegInnen ablichten. LINKE-Parteivorsitzender Bernd Riexinger kam zur Demo nach Stellingen und sprach vor den Streikenden.

Die Bürgerschaftsfraktionen SPD, Grüne und Linke forderten im Januar 2013 in der gemeinsamen Erklärung die Inhaber auf, die Verhandlungen aufzunehmen. Es hat, neben der gemeinsamen Erklärung für die Streikenden von pflegen & wohnen in 2012, jahrelang kein derartiges Bekenntnis aus der Hamburgischen Bürgerschaft über DIE LINKE hinaus für Streikende in Hamburg gegeben. Die Stadt steht hinter den Streikenden – so die Wahrnehmung.

Der Neupack-Streik ist der längste, den Hamburg seit Jahrzehnten erlebt hat. Das hat alle überrascht, auch die IG BCE selbst. Sie kann einerseits mit ihren sozialpartnerschaftlichen Positionen nicht beim Betriebsinhaber trumpfen. Sie stößt mit ihrer vor sich her getragenen Ideologie aber auch auf massive Kritik in der Belegschaft selbst. Das ist für diese Gewerkschaft eine ungewohnte Situation.

Warum entwickelt eine Belegschaft, die für einen Haustarifvertrag streikt, der noch nicht einmal IG BCE-Standards entsprechen würde, soviel Kraft? Warum hat der Streik eine so breite Akzeptanz? Ohne die breite Solidarität, die übergroßen Sympathiebekundungen weit über das linke Lager hinaus wäre der Streik längst zusammengebrochen. Die Unternehmenspolitik der Neupack-Besitzer offenbart sich der Bevölkerung als dumpfer Klassenkampf, der in der Gesellschaft keine Akzeptanz mehr findet.

Dass die Demokratie vor den Betriebstoren endet, die Betriebsverfassung bei Streiks weitgehend ausgesetzt ist und die Wahrnehmung eines Grundrechts derart wie von den Krügers betrieben, torpediert werden kann, muss ein Ende haben. Gesetzliche Änderungen sind überfällig. Hier kommt der LINKEN in den Parlamenten eine wegweisende Rolle zu.

Dieser Text erscheint in Kürze in b&g, der Zeitung der Bundesarbeitsgemeinschaft betrieb & gewerkschaft DIE LINKE

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