Oh Schreck: Meine erste Bundestagsanhörung

Das Paul-Löbe-Haus liegt gleich neben dem Reichstag. Darin sind Abgeordnetenbüros und Anhörungssäle, außerdem zwei Kantinen – eine für BesucherInnen, eine für Abgeordnete.

Ich bin heute in Berlin gewesen, um an der Anhörung zu einem Entwurf für ein Entgeltgleichstellungsgesetz teilzunehmen. Die SPD hat diesen Antrag eingebracht. Entstanden ist die Idee auf Gewerkschaftstagen, unter anderem bei Verdi. Mit dem Gesetz soll der Entgeltdiskriminierung von Frauen wirksam begegnet werden. Zu diesem Entwurf werde ich mich in Kürze inhaltlich äußern.

Ich habe daran teilgenommen, weil die Hamburger Linskfraktion eine Bundesratsinitiative zur Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eingebracht hat. Dazu gab es in Hamburg bereits eine ExpertInnenanhörung. Wir wollen weiter beraten, wenn diese heute in Berlin stattgefundene Beratung vorbei ist und das Protokoll vorliegt. Ich höre lieber gern selbst, als nur zu lesen, daher meine kleine Dienstreise heute.

Anhörung bedeutet, dass ich zuhören musste. Als Gast habe ich kein Rederecht. Diverse Experten und Expertinnen stehen den Bundestagsabgeordneten zur Verfügung, die ihre Frage stellen können. So ist das auch in der Hamburgischen Bürgerschaft.

Seit heute weiß ich, dass wir in Hamburg nahezu paradiesische Bedingungen haben und dass es im Bundestag undemokratisch, demagogisch und unkollegial zugeht.

Wenn wir in Hamburg eine Anhörung zu einem Antrag machen, dann werden meisten vorher die Fragen eingesammelt. Dennoch kann jedeR Abgeordnete frei weitere Fragen stellen. Man wird nun manchmal zur Ordnung gerufen, wenn man abdriftet. Ich bin in meinen Rederechten ansonsten nicht eingeschränkt, darf nachfragen, mich erneut melden.

In Berlin ist das bei ExpertInnenanhörungen so:

Alle Fragen werden vorher zwingend eingereicht. Jede Fraktion hat eine begrenzte Zeit, in der sie ihre Fragen stellen darf, inklusive der Antworten der ExpertInnen. Die Dauer der Zeit richtet sich nach der Größe der Fraktion! CDU/CSU haben über 20 Minuten, DIE LINKE und die Grünen unter zehn Minuten.

Es ist auch völlig egal, was die Abgeordneten fragen. Auch was die ExpertInnen antworten, ist egal. Die Ausschussvorsitzende, die die Sitzung leitet, ruft nie zur Sache.

Dass das Blüten treibt, war heute sehenswert. Fast alle Frage,n, die CDU/CSU und FDP in ihren umfangreichen Zeitkomplexen stellten, bezogen sich nicht auf das Gesetz, sondern auf allgemeine Fragen der Entgeltdiskriminierung. Die ExpertInnen antworteten entsprechend sinnfrei und ausschweifend. Nur SPD, Grüne und DIE LINKE stellten Fragen zu dem Gesetzesentwurf.

Nach zwei Stunden war der Zauber vorbei. Der faule Zauber.

Dass die Rechte der Opposition so dermaßen beschnitten werden, war fast unerträglich. Ich kann mir denken, wie das ausgeht: Der Antrag geht jetzt seinen formalen Weg und wird dann von den Regierungsfraktionen weg gestimmt. Das ist peinlich. Auch vor dem Hintergrund, dass diese Regierungsfraktionen höchstwahrscheinlich in wenigen Monaten wieder die Oppositionsbänke drücken werden. Und dreimal darf man raten, was dann mit ihren Anträgen geschieht? Parlamentarismus hat nicht umsonst einen so schlechten Ruf. Die Frage „Was machen die da eigentlich?“ hat durchaus eine Berechtigung. Es riecht nach Beschäftigungstherapie. Es ist wohl oft auch eine.

Dieser Teil des Systems ist überholt und verdient, abgelöst zu werden.

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