Kündigung eines Unkündbaren

Der Neupack-Inhaber Krüger lässt wirklich keine Chance ungenutzt, sich als miesester Kapitalist Hamburgs ein Denkmal zu setzen. Wiederholt hat er seinen Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes gekündigt.

Heute fand der Kammertermin im Arbeitsgericht statt. Dem war eine gescheiterte Güteverhandlung vorausgegangen. Die Sitzung verschob sich zunächst, denn die Richterin musste sich auf die Suche nach einem größeren Gerichtssaal begeben – zu viele Zuschauende drängten sich auf dem Flur.

Vom Saal 119 ging es in den Saal 109 – der Saal, in dem auch meine Gerichtsverhandlung vor zweieinhalb Jahren anlässlich der fristlosen Kündigung gegen mich unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit stattgefunden hatte. Ein Déjà-vu …

Der Inhalt und die Form waren hier allerdings komplett anders, es ging um eine Beweisaufnahme: Murat soll einen Angestellten Neupacks am ersten Streiktag seinen Ellenbogen ins Gesicht gestoßen haben. Außerdem soll der Angestellte mit dem Tor, das er zu öffnen versucht hatte, mitgeschleift worden sein, als Murat es schließen wollte. Und er soll noch einen Tritt in die Niere bekommen haben.

Die Vernehmung lief schleppend. Es lag auch keine Aussage des Angestellten vor. Obwohl dieser behauptete, dass er an Eidesstatt gleich nach dem Ereignis im Betrieb eine Erklärung dazu abgegeben hatte. Warum lag diese Erklärung nicht der Akte bei? Warum war dies offenbar nicht in der schriftlichen Kündigung erwähnt, weswegen eine Befragung nötig war? Und dann wollte er am Ende der Vernehmung nich verraten, in welches Krankenhaus er gegangen war.

Insgesamt sollten vier Zeugen vernommen werden, drei waren nur gekommen. Die Sitzung wurde wohl auch deswegen vertagt. die Luft im Gerichtssaal war zum Schneiden dick.

Einen Betriebsrat zu kündigen, sollte sich ein Arbeitsgeber zweimal überlegen. Einen Betriebsratsvorsitzenden, der noch dazu mit seiner Belegschaft im Streik steht, dreimal. Wer so etwas macht, der setzt auf eine Konfrontation, die keine Kompromisse duldet. Das ist ein Vorgehen, bei dem die Belegschaft wohl weiß, dass sie alles, was sie haben möchte, erstreiten, erstreiken, muss.

Ob dieser Vorwurf, sollte er sich bestätigen, ein Kündigungsgrund ist, kann ich nicht beurteilen. Ich glaube eher nicht. Es geht wohl auch um mehr: Eine Belegschaft soll ihren „Kopf“ verlieren. Sie soll da getroffen werden, wo sie empfindlich ist. Dabei ist diese Belegschaft in den letzten Monaten gewachsen. Was Arbeitgeber wie Krüger unterschätzen, ist zum einen die Solidarität unter- und füreinander. Und dass es eben nicht so einfach ist, einen Unkündbaren zu kündigen.

Wer die Statistik kennt, weiß, dass die meisten Kündigungsschutzprozesse mit einem Vergleich enden. Die meisten Gekündigten geben vorher aufgrund der immensen psychischen Belastung, die ein solches Verfahren bedeutet, vorher auf. Oder sie einigen sich aus anderen Gründen. Manches Mal auch deswegen, weil das angebotene Geld stimmt. Oder ein neue Job schon in Aussicht ist.

Um eine Kündigung per Gericht wirklich durchzusetzen, gegen den Willen des Gekündigten, muss schon was aufgefahren werden. Was ich heute erlebt habe, war eher die Schmalspurnummer eines Versuchs, sich seines Betriebsrats zu entledigen. Am ersten Kündigungschutzprozess gegen Murat hatte ich auch teilgenommen, das war noch vor dem Streik. Auch das war grotesk blöd seitens der Arbeitgeberseite inszeniert gewesen. Wieder ging es offenbar nur um Einschüchterung der Belegschaft.

So ein Schauspiel kostet viel Geld. Also ist es da. Warum dann die Beschäftigten zwar nicht anständig nach Tarif bezahlt werden können, wohl aber die Tausender für Gerichtsverfahren, Anwälte und Streikbrecher raushauen werden, lässt nur den Umkehrschluss zu, das sich da einer ganz mächtig fühlt. Oder fühlen möchte. Und sich durchsetzen will.

Krüger ist keine Ausnahme. Viele Unternehmen lassen es sich was kosten, um Betriebsräte immer wieder auf LOS zurück zu schicken oder vom Spielfeld zu schubsen. Das nennt man für gewöhnlich Klassenkampf. Diesmal aber unter öffentlicher Beobachtung. Und das ist wichtiger als manche denken. Auch deswegen bin ich mir sicher, dass diese Kündigung nicht durchsetzbar ist.

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