Wenn ein Pastor moderiert

Die bislang ungewöhnlichste Podiumssrunde in diesem Wahlkampf hatte ich am Freitagabend. Ich war in die Freie Evangelische Gemeinde eingeladen worden. Das Motto der Diskussion lautete: „Wie christlich darf Politik sein?

400 Menschen hatten sich in dem Saal des Gemeindezentrums versammelt, als ich zusammen mit Katharina Fegebank/Grüne, Johannes Kahrs/SPD, Markus Weinberg/CDU auf das Podium stieg. Burkhard Müller-Sönksen/FDP kam zu spät.

Welchen Bezug ich zum Christentum hätte, lautete die erste Frage des Moderators, Pastor Reinhard Spincke an mich. Ich erläuterte, dass ich mit christlichen Werten großgeworden bin, getauft und konfirmiert wurde und die Kirche auch in dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, im Zentrum stand.

Dann konfrontierte er mich mit einen Zitat von Bodo Ramelow. Er hatte gesagt, dass DIE LINKE gegenüber Christen intoleranter sei als die Vorgängerpartei PDS. Ich sagte, dass ich die Einschätzung von Bodo Ramelow teile, auch wenn ich nicht Mitglied einer Kirche sei. In der Tat aber hat unser Wahlprogramm an dieser Stelle eine Schwäche: Die Stelle zu Religion wurde zu später Stunde auf dem Parteitag in Dresden beschlossen, aus meiner Sicht nicht ausdiskutiert.

Ich sagte aber auch, dass sich nach dem Ende der DDR in der PDS Christinnen und Christen zusammen gefunden haben und erzählte, was sich in einem Positionspapier dazu ua. findet: „Mitverantwortung an einer verfehlten Politik der SED, die tragische Schicksale, Benachteiligung, Verdächtigung und ohnmächtige Betroffenheit auslöste“. Sie bekannte ihre „Mitschuld an der bisherigen Politik“ und bat „die Gläubigen, die Kirchen und Religionsgemeinschaften um Versöhnung“.

In der folgenden Stunde diskutierten wir über viele soziale Themen: Familie, Frauen, Kita und frühkindliche Bildung,  Abtreibung, Pflege, Sterbehilfe. Mehrfach wurde das Publikum gebeten, nicht zu klatschen, erst am Ende! Bei mir klatschte niemand. An meinen Positionen mussten bestimmt einige schwer schlucken: Ich bin für Krippen, gegen das Betreuungsgeld, Abschaffung des § 218 Strafgesetzbuch, Straffreiheit bei der Sterbehilfe, Adoptionsrecht für Schwule und Lesben.

Ich konnte aber auch unsere Forderungen nach einer Mindestrente, einer ausfinanzierten Pflege und einer BürgerInnenversicherung einbringen.

Am Ende wurde gebetet. Für uns Kandidatinnen und Kandidaten gab es eine Predigt, wir wurden namentlich erwähnt. Das hatte auf mich eine erstaunliche Wirkung, denn trotz aller Unterschiede spürte ich die große Toleranz, die aus dieser Predigt und von dieser Gemeinde sprach. Und dann bekamen wir fünf noch eine Biografie über Dietrich Bonhoeffer geschenkt – über ihn wollte ich schon lange mal mehr lesen! Applaudiert wurde dann allen, und zwar sehr stürmisch.

Beim Hinausgehen wurde ich mehrfach angehalten. Viele bedankten sich persönlich bei mir für das Kommen. Ich glaube, Etliche haben an diesem Abend eine ganz neue Sicht auf DIE LINKE erhalten. Eine Frau sagte es sogar zu mir: „Endlich habe ich einmal persönlich eine Linke kennengelernt.“

 

4 comments

  1. Antje Kosemund sagt:

    Liebe Kersten,
    Seit 9 Monaten lebe ich bei meiner Tochter in Tirol, verfolge sehr aufmerksam das politische Geschehen in meiner Heimatstadt. Bei goggel erfährst du über meine Aktivitäten, falls Interesse vorhanden ist. Ich lese, dass du dich FÜR die Sterbehilfe einsetzt, was ich aufgrund meiner Biografie, meines jahrzehntelangen Kampfes um die Würde Der NS-„Euthanasie“- Opfer absolut ablehne. Kein Mensch hat das Recht über den Todeszeitpunkt eines Anderen zu bestimmen! Wer kann bestimmen oder kontrollieren ,dass nicht Missbrauch getrieben wird ?? Uns mahnen 300 000 Mordopfer der sogenannten „Euthanasie“ 500 000 Opfer der Zwangssterilisation !! Nie wieder dürfen Menschen wegen ihres “ Andersseins “ , wegen einer Krankheit, aus Kostengründen, ausgegrenzt ,getötet werden
    Antje Kosemund

  2. Fred Jörke-Kunath sagt:

    Das stimmt. Bei der Sterbehilfe geht es aber nich um „Euthanasie“ sondern um selbstbestimmtes sterben in Würde. Das ist keine Euthanasie. Mein am 06. August an Krebs verstorbener Mann (wie waren seit 2009 gesetzlich verpartnert) hat si h such Gedanken über eine Sterbehilfe gemacht, nachdem die Ärzte ihm sagten, dass keine Heilung möglich ist. Das war für uns beide eine schwere Zeit. Er wollte jedoch leben und hat mit jeder Faser seines langsam immer kränker und schwächer werdenden körpers dafür gekämpft. In einem guten Hospiz in Bardowick b. Lüneburg hatte er das, was er brauchte und wo er sich wohlfühle.

    Was mir bei dieser Frage eichtig ist, das ein Mensch über diese Dinge selbst entscheiden kann. Mein Mann und ich hatten rechtlich mit notariellen Verfügungen vorgesorgt, auch was lebensverlängernde Maßnahmen, Vollmachten usw. betrifft. Das gehört zu diesem Komplex dazu und ist wichtig.

    Die letzte Entscheidung, ob jemand an Schläuchen und Geräten hinvegetieren will, oder den Zeitpunkten eines würdigen Abschieds aus dem irdischen Leben selbst bestimmen will, muss möglich sein

    • Klaus Georg Riedesel sagt:

      Wenn ein Mensch nur noch leidet und möchte mit dem irdischen Leben abschließen, dann muß ihm das ermöglicht werden, wenn er selbst nicht mehr die Möglichkeit hat seinem irdischen Leben ein Ende zu setzen. Ich bin Christ und weiß von einem herrlichen Leben bei Christus. Der Apostel Paulus schrieb selbst: „Es wäre für mich jetzt viel besser abwesend im Körper zu sein und präsent bei Christus. Aber um euretwillen bleibe ich…“

  3. Antje Kosemund sagt:

    In meinem Beitrag habe ich unmissverständlich zum Ausdruck gebracht :“Kein Mensch hat das Recht über den Todeszeitpunkt eines Anderen zu bestimmen! “ Das schließt nicht aus, dass ein leidender Mensch selbstbestimmt über das Ende seines Leidens verfügen darf. Mir geht es darum den Missbrauch an nichteinwilligungsfähigen Patienten/ Angehörigen ect. auszuschließen !!

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