„Bild“: Reklameblatt mit 41 Millionen Auflage!

Viele haben sie weggeschmissen, die kostenlose „Bild“, die am Sonnabend vor der Bundestagswahl in vielen Briefkästen gesteckt war. Ich nicht. Ich hatte die Annahme zwar  verweigert, aber die Stecktionäre waren so manisch, dass sie jede Hinweisschilder ignorierten. Typisch „Bild“. Aufdringlich, ungefragt, müllig.

Was steht drin in der 41-Millionen-Auflagen-Postille, die uns unfreiwillig in Haus gekommen ist? Wer das nicht wissen will, hört JETZT auf zu lesen.

Ich lese „Bild“ jeden Tag. Daher bin ich mit den Kampagnen und den Unseriösitäten, aber auch mit dem handwerklichen Geschick der Redaktion vertraut.

Chefredakteur Kai Dieckmann appelliert auf dem Titel: Geht wählen! Dann schreibselt er, dass Politik kompliziert und zäh sein. Und dass man sich nicht abwenden soll (wovon?). Warum? Weil dann die Demokratie nicht mehr funktioniert. So redet einer, der leicht seine Meinung sagen kann, Morgen aber nicht zum Jobcenter und mit Sanktionen rechnen muss. Oder mit einer Abschiebung. Ist das zu moralisch? Egal – denn wer sich von der Demokratie abwendet, der wurde vom Establishment in der Regel verarscht. Der hat nichts von der Demokratie.

Zwei Anzeigen hat die Umsonst-„Bild“ auf dem Titel: Von Haribo, von der Deutschen Bank.

Auf Seite 2 wieder eine Anzeige (pearl), ebenso auf Seite 3 (Opel). Auf Seite 4 kommen die Kleinen Rösler, Wagenknecht und Trittin zu Wort

Seite 5: Ganzseitige Anzeige der Deutschen Vermögensberatung. Das Unternehmen steht in der Kritik, sich zu eng mit „der Politik“ verflochten und in der niedergegangenen DDR zu hohe Abschlüsse und aufgrund nicht bedarfsgerechter Beratung getätig zu haben. Das Unternehmen spendete in den Jahren 2004 bis 2009 insgesamt 671.050 Euro an die CDU und im Zeitraum 2005 bis 2009 324.000 Euro an die FDP. Steht alles auf Wikipedia. DIE LINKE darf in „Springer“-Blättern nicht werben, aber die DVAG!

Seite 7: Wieder eine ganze Anzeigenseite – diesmal wirbt das Pharmaunternehmen STADA.

Seite 8: Die Altkanzler Kohl und Schröder kommen zu Wort – wieder Apelle, wählen zu gehen. Seite 9: Eine ganzseitige C&A-Anzeige.

Seiten 10 und 11: Erstwähler_innen kommen zu Wort, drumherum werben ein Lebenmittelvertrieb mit Champus, die Volks- und Raiffeisenbanken und ein Briefmarken- und Münzversandhaus. Jungerwachsenengerecht, nicht?

Seite 12: „Das haben die mit uns vor“, lese ich – es sind Auszüge aus Wahlprogrammen zu Schlagworten wie Euro, Familie, Internet. Bei DIE LINKE steht unter anderem: „Großbanken sollen vergesellschaftet werden“. In Klammern gesetzt steht dahinter: verstaatlicht. Diese Übersetzung ist leider falsch, verehrte Redaktion.

Seite 13: Eine halbe Seite Politiker in Öl auf Leinwand gemalt. Alles Männer. Viel Text, zu viel. Das geht gar nicht. Feuilleton sollte anderen überlassen werden. Die andere halbe Seite: wieder Reklame: Rama wirbt mit „Deutschlands leckerster Koalition“. Haha.

Seiten 14 und 15: Auf einem Viertel des Platzes findet sich redaktioneller Text (Wer schon mal die Wahl verloren hat), der Rest, dreiviertel, sind Anzeigen: Moncherie, eine Eigenanzeige Computer“bild“ (Wer ist denn da kurz vor Schluss noch abgesprungen?), Deutsche Post.

Seiten 16 und 17: Eine Seite Polit-Quiz (Ist nicht so schwer: Auflösungen stehen kopfüber auf der selben Seite) und Rätsel, eine Seite Lidl.

Seiten 18 und 19: Eine Doppelseite zum Thema „Das Beste aus 60 Jahren Wahlkampf.“ Ich sehe: Männer, Männer, Männer, drei Frauenmotive, ein Tier, ein Baby beim Stillen. Immerhin unterhaltsam – die mit Abstand beste Seite, an der ich mich länger als eine Minute festhalte.

Seiten 20 und 21: Auch in der DDR gab es Wahlkampf, erfahren wir, aber daneben steht: Verfolgt und verhaftet – ein typischer Bericht aus der Zeit, wo die „Springer“-Titel die DDR noch in Tüdelchen schrieben. So etwas hätte ich mir über die Deutsche Vermögensberatung gewünscht. Dann folgt eine ganzseitige Anzeige von netto.

Seite 22: Sport. Beckenbauer, Bierhoff und Lahm reden von früher. Schön war die Zeit.

Seite 23: Vier Betriebsratsvorsitzende von verschiedenen Vattenfall-Betrieben inserieren eine ganze Seite zum Rückkauf der Netze. Sie müssen gut verdienen, die Jungs, dass sie das bezahlen können. Oder ob sie in der Belegschaft gesammelt haben? Die Argumente sprechen durchaus für einen Rückkauf der Netze, denn die Belegschaft würde auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches, das Arbeinehmerrechte bei einem Verkauf regelt, komplett übernommen, auch die Auszubildenden. Versteh einer diese Kollegen, die als Quintessenz so offen die Unwahrheit sagen.

Seite 24: Ganzseitige Anzeige, Vattenfall kommt zu Wort mit einem hübschen Bild von der Hafencity.

Seite 25: Restsport, eine Fielmann-Anzeige, eine Eigenanzeige bild.de.

Seite 26: Politprominenz beim Feiern, die Rubriken „Liebe ist…“, „In & Out“, eine viertel ZDF-Anzeige.

Was fehlt in dieser „Bild“? Richtig: Titten!

Und was mache ich jetzt damit? Ist zum Wegschmeißen eigentlich viel zu schade. Also Morgen in einen Umschlag gesteckt und zurück an den Absender.

Ein Kommentar

  1. fred jörke-kunath sagt:

    Aber keinen Absender angeben!

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