Intersexualität: Es ist ein erster Schritt

01_20130220_lan-konferenz_285kl_70a7128484„Heute ist ein großer Tag für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und solche, die noch auf die Welt kommen werden: Das Personenstandsgesetz verlangt nicht mehr, dass binnen weniger Tage nach der Geburt das Geschlecht des Kindes angegeben werden muss.

Das wird dazu beitragen, dass vielen Kindern großes Leid erspart bleiben wird. Circa 100.000 intersexuelle Menschen leben in Deutschland. Das heißt, sie sind nicht eindeutig Mann oder Frau zuzuordnen. Menschenrechtsverletzende Operationen wurden ihnen Jahrzehnte lang zugemutet, meistens wurde diese Kinder zu ,Mädchen gemacht‘. Mit in der Regel tragischen Folgen: Identitätsstörungen, Adipositas, Suizide. Ich gratulieren allen Intersexuellen zu diesem Tag! Und ich bin froh und glücklich, dass die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft als eine der ersten Fraktionen bundesweit die bis dahin tabuisierte Thematik vor einigen Jahren aufgegriffen hat. Nach einer ExpertInnenanhörung im Gesundheitsausschuss kam ein Stein ins Rollen, der dieser Bewegung und ihrer Hartnäckigkeit zu verdanken ist. Auch dem Internet ist vieles zu ,verdanken‘, denn erst dadurch konnte sich die Bewegung formieren – weil man sich gefunden hat und endlich aufgeklärt wurde.“

Diesen Text schrieb ich am 1. November auf Facebook. Er wurde binnen eines Tages 16-mal geteilt und bekam 64 Likes. Auch viele überregionale Medien, das Hamburger Abendblatt und das Fernsehen berichteten darüber. Wer das Thema verpennte, war – ausgerechnet – der Boulevard.

Michael Gwodsz, ehemaliger Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, ergänzte mein Posting auf Facebook:

Seit heute gilt § 22 (3) Personenstandsgesetz: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“ Allerdings bedeutet dies nicht, dass ein Mensch nicht im Laufe der Zeit trotzdem eindeutig „männlich“ oder „weiblich“ zugeordnet werden muss. Denn unser Recht kennt auch weiterhin nur diese beide Geschlechter, eine Zuordnung muss in anderen Fällen also zwingend erfolgen.

Wichtig ist es auch, deutlich zu sagen, dass damit die Probleme der Untersexuellen nicht beseitigt sind. Denn die Varianzen den Lebens (so bezeichnete einmal Lucie Veith, Menschenrechtsaktivistin, Intersexualität, sind unzählig. Meistens beginnt sich mit der Pubertät das Geschlecht herauszubilden. Viele Fragen der persönlichen Zukunft stellen sich: Kann ich Kinder bekommen? Wer wird mich als Partnerin, Partner lieben und akzeptieren? Finde ich mich in einer heteronormativen Umwelt zurecht, die zwar Schwule und Lesben mehr und mehr als normal akzeptiert, aber mich weiterhin wie einen Freak ansieht?

Intersexuelle Menschen haben sich über das Internet gefunden. Sie helfen sich gegenseitig, sie wagen mehr und mehr auch die öffentliche Präsentation. Trotzdem benötigen sie unsere Hilfe und unsere Toleranz. Und finanzielle Hilfen. Für psychosoziale Betreuung zum Beispiel.

Auch die Sexualberatungsstellen brauchen ein Mehr an Leistungen, weil sie offen und kompetent für Intersexuelle da sein sollten. Ebenso braucht die Medizin eine weitere Veränderung: Es kann nicht sein, dass ein uneindeutiges Geschlecht als Störung diagnostiziert wird. Es kann und darf keine Rechtfertigung dafür geben, an Menschen herumzuschnibbeln und sie mit Hormonen vollzustopfen.

DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft hat sich den Intersexuellen frühzeitig angenommen. Sie hat mit Anfragen und einen Antrag konkret dazu beigetragen, zu enttabuisieren und den Prozess voranzutreiben.

Hier ist eine (noch unvollständige) Dokumentation:

http://blog.kerstenartus.info/tag/intersexualitat/

http://blog.kerstenartus.info/879/

http://www.linksfraktion-hamburg.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/intersexualitaet-bundesratsinitiative-zur-aenderung-des-personenstandsgesetzes/

http://www.die-linke-hamburg.de/presse/detail/artikel/interfraktioneller-antrag-zu-intersexualitaet-linke-beglueckwuenscht-intersexuelle-zu-ihrem-erfolg.html

http://www.kerstenartus.info/pdf/antraege/194019.pdf

http://genderqueer.de/wp-content/uploads/2009/01/anfrage-linke-14-01-09.pdf

 

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