Über die ärztliche Versorgung will ich mit ihnen reden. Und über die Gesundheit älterer Menschen. Es ist morgens, kurz nach Acht und ich mache mich auf den Weg nach Barmbek, zur Köster-Stiftung. Knapp 50 Bewohnerinnen der Wohnanlage erwarten mich zum Frühstück. Als ich in den großen, hellen Raum komme, nassgeregnet und etwas verschwitzt, haben sie schon angefangen. Ich bin zehn Minuten zu spät.
Ein Platz ist noch frei, ich setze mich hin. Mir wird Kaffee eingeschenkt, ich bekomme Brötchen gereicht. Butter. Wurst, Käse, Marmelade, Honig, Quark – das sieht alles sehr lecker aus. Und es schmeckt. Zwei Schokopralinen liegen neben meinem Teller. „Passen Sie gut auf sie auf“, sagt meine Sitznachbarin warnend zu mir und lacht zu den anderen.
Ich hatte der Leitung des Hauses angeboten, einmal wieder vorbei zu kommen. Während des Bundestagswahlkampfes hatte ich die Köster-Stiftung kennengelernt, als ich zu einer Podiumsrunde eingeladen gewesen war. Die Frauen und Männer, die hier leben, organisieren sich ihre Freizeit. Dazu gehören Ausfahrten, Besichtigungen. Auch dieses Frühstück einmal die Woche in eine gemeinsame Aktivität. 2,50 Euro kostet es, dabei zu sein, erfahre ich. „Das ist ein guter Preis für ein Frühstück“, sage ich zu der Dame, die mir gegenüber sitzt. „Es ist nicht nur das Essen“, sagt sie, „es ist auch die Gemeinschaft. Sonst frühstücke ich ja immer alleine.“ Dann erzählt sie mir, dass sie wegen einer früh einsetzenden Demenz ihre Berufstätigkeit aufgeben musste. Und dass sie jetzt auch noch eine Inkontinenz hat. Unter der leide sie sehr. „Die anderen sagen oft, dass ich rieche.“ Sie lächelt mich selbstbewusst an. Ich rieche nichts.
Die Stimmung ist gut am Tisch, es werden Scherze gemacht. Manche duzen sich. Käthe, Renate. Ich höre auch das typische Hamburger Du: „Frau Müller, gib mal die Milch rüber.“
Nach einer knappen Stunde wird das Geschirr abgeräumt, die Stühle werden in einem Kreis angerichtet. Für alle gibt es ein Glas Wasser.
Mein Part beginnt. Ärztliche Versorgung in Hamburg, Gesundheit älterer Menschen. Darum geht es. Ich stelle mich noch einmal vor. Dann erzähle ich, dass es zwei umfangreiche Berichte über die Gesundheit älterer Menschen in Hamburg gibt, die durch Telefoninterviews zustande gekommen sind. Und dass wir erst in der letzten Woche über die ärztliche Versorgung in der Bürgerschaft gesprochen haben. Und dass es jetzt ein Gutachten gibt, das die ungleiche Verteilung von Ärztinnen und Ärzten über das Stadtgebiet bestätigt, und diese sich nicht mit der Krankheitsdichte der Bevölkerung und den sozialen Bedarfen einzelner Stadtteile deckt.
Mir wird nicht lange das Wort gegönnt. Wie in der Schule fliegen die Finger hoch. Ich nehme die mir zugedachte Rolle an und erteile nach und nach das Wort. Warum ist die Pflege unterfinanziert? Was sagen Sie zu den Bewertungen von Pflegeheimen? Was kann man von Hamburg aus machen, um Einfluss auf Bonn, ach nee, Berlin, zu nehmen?
Eine Dame berichtet, sie habe neulich „112“ angerufen und sei verärgert gewesen, dass der Notarzt sie nicht ins nächst gelegene Krankenhaus gebracht hätte. Ich erkläre das Rettungseinsatzsystem Hamburgs, und die Probleme der Notaufnahmen. Und dass die schon mal geschlossen werden und die Rettungswagen dann andere Kliniken anfahren. Und dass es viele SelbsteinweiserInnen gibt.
Dann ist die Pflege wieder Thema. Warum ist die häusliche Pflege günstiger als ein Pflegeheim?, will eine Dame wissen. Das könne sich doch niemand leisten. Sie erntet Widerspruch. Eine andere Teilnehmerin hat sich verschiedene Heim angesehen. „Seitdem habe ich meine Angst davor verloren“, sagt sie. „Und die sind bezahlbar.“ Ein Herr schimpft, dass Kinder für ihre Angehörigen aufkommen müssten. Der Staat dürfe Kinder nicht die Pflicht nehmen.
Dann kommt das Gespräch auf Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi. Warum immer die im Fernsehen sind und nicht andere Linke. Dass wir das nicht beeinflussen können, wer in Talkshows eingeladen wird, stößt auf Interesse. „Die Frau Wagenknecht“, sagt eine Dame, „weiß aber immer ganz gut Bescheid und bekommt viel Beifall“.
Wir plaudern noch über dieses und jenes, schnell ist die Stunde um, ich muss gehen. Ich kriege Applaus, man bedankt sich dafür, dass ich den Vormittag bereichert hätte. Ich fühle mich auch bereichert. Vielleicht darf ich ja mal wiederkommen,
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