Unser zweiter Tag in Shanghai. Neun Uhr morgens Frühstück (in Hamburg war es drei Uhr nachts!). Zwölf Uhr Empfang beim Shanghai Volkskongress – hier sieht man mich auf dem Foto mit Herrn Wu, dem Vize-Vorsitzenden). 14 Uhr Gespräch in der Umweltbehörde, 15.30 Uhr Gespräch bei der Erziehungskommission, 18.30 Uhr Empfang bei der „China`s Peoples Political Consultative Conference“. Was das ist, erkläre ich weiter unten.
Erst einmal der Reihe nach.
Generalkonsul Dr. Roehr frühstückte mit uns. Wir erfuhren viel über seine Arbeit und bekammen einen Einblick in seine Kenntnisse über Shanghai. China habe sich in den letzten Jahrzehnten verändert wie kein anderes Land, meinte er. Und geöffnet, wie es es kaum zu vermuten gewesen wäre. Zu den Arbeitsbedingungen den Menschen in China erzählte er, dass China weg will vom Image des Billiglohnlandes. Daher würde auch über Streiks gegen zu niedrige Löhne in den Zeitungen berichtet. Jedes Jahr gäbe es Empfehlungen für Lohnerhöhungen, auch für den Mindestlohn.
Die Abgesandten des Volkskongresses begrüßten uns in einem Hotel, dass als Gästehaus genutzt wird. Ein riesiger Raum mit übergroßen Sesseln erwartete uns. Die Ansprachen beinhalteten viele Höflichkeiten und Wertschätzungen. So, wie es in China üblich ist und es die guten Sitten verlangen. Langweilig war das trotzdem nicht. Die neue Vorsitzende, Frau Ying, freute sich, dass unsere Delegation mehrheitlich aus Frauen bestand.
Das sich anschließende Mittagessen bestand aus acht Gängen. Jeweils wurden Kleinigkeiten serviert. In der Mitte des überdimensionalen großen runden Tisches, der mindestens sechs bis sieben meter Durchmesser hatte, standen zwei Wasserschalen, in denen Goldfische schwammen. Ich bekam die ersten Visitenkarten und verteilte meine. Mit Herrn Wu unterhielt ich mich über Gesetzgebungsverfahren.
In der Umweltbehörde bekamen wir den Aktionsplan für die nächsten fünf Jahre vorgestellt, mit denen die Feinstaubkonzentration um 20 Prozent gesenkt werden soll. Auch hier war eine Frau die Chefin, Frau Fang. Das Hauptproblem sei die Reduzierung der Kohleverbrennung, erzählte sie. Stattdessen setze man auf Erdgas und erneuerbare Energie. Stilecht: Die Visitenkarten waren aus Recyclingpapier.
Bei der Erziehungskommission erfuhren wir einiges über das Shanghaier Bildungswesen. Da Shanghai beste Werte bei PISA hat, war es spannend, zu hinterfragen, woran das liegt. Die Antworten lauteten: Ganztagsschule, Kindergarten. Und es wird wahnsinnig viel gelernt – an sechs Tagen die Woche, sonntags ist freiwillig Unterricht. Und es wird viel auswendig gelernt. Die Erziehungskommission will nun sogar Druck von den Kindern nehmen, der stark von Seiten der Eltern aufgebaut würde. Nun gibt es jeden Tag eine Stunde Sport in der Schule. Viele Eltern seien dagegen, erfuhren wir.
Übrigens gibt es jeden Tag von 15 Uhr bis 15.10 Betriebssport – und zwar überall in Shanghai! Wir bekamen das mit, weil mit einem Mal merkwürdige rythmische Gesänge vom Flur kamen. Das Angebot sei aber freiwllig, hieß es.
Bei der Konsultativen Konferenz (CPPCC) wurden wir wie beim Volkskongress in einem riesengroßen Raum mit riesengroßen Sesseln empfangen. Die Ansprache des Vorsitzenden Herr Wu (ein anderer Herr Wu als der vom Volkskongress) war von gleichen Höflichkeiten geprägt. Auch Herrn Wu viel der Frauenanteil unserer Delegation auf. Gut gemeint empfahl er uns Frauen die vielen Einkaufsmöglichkeiten in der City, worauf Carola Veit ergänzte, dass die Männer auch gern einkauften, es nur nicht zugeben würden. Da lachte die CPPCC-Delegation, der nur eine Frau angehörte.
Das Abendessen fand an einem noch größeren runden Tisch statt als beim Volkskongress – er hatte bestimmt zwölf Meter Durchmesser. Aber ohne lebendige Fisch. Wieder bekamen wir acht Gänge aus kleinen Köstlichkeiten serviert. Ich wusste nicht bei allem, was ich da aß, aber es schmeckte alles gut.
Was ist der CPPCC? Er besteht aus einflussreichen Menschen, die Schlüsselpositionen in der Stadt innehaben. Es gehören u.a. WissenschaftlerInnen und Künstlerinnen dazu. Der CPPCC hat ein Vorschlagsrecht für Maßnahmen des gesellschaftlichen Lebens und Gesetze, er macht Eingaben beim Volkskongress. Wie sagte es jemand: Die Mitglieder haben keine Macht, aber viel Einfluss. Die Abgesandten wirkten auf uns auch sehr selbstbewusst. Vermutlich ist es eine hohe Ehre, dem CPPCC anzugehören.
Was macht man nach so einem Tag in einer Stadt wie Shanghai? Man geht in einen Jazz-Club. Der lag unweit des Hotels. Wir tranken Tsing Tao, das chinesische Bier, und hörten den starken Gesang einer schwarzen Frau, die mit ihrer Band den Laden einheizte. Hätte ich nicht vorher geschworen, dass ich nur ein Bier trinke und dann ins Hotel gehe, wäre ich auf der Tanzfläche gelandet. Aber da es Morgen früh zum Tiefwasserhafen geht, will ich ausgeschlafen sein.
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