Es ist eine Herausforderung, älteren Menschen vorzulesen. Vor allem, wenn sie so betagt sind, wie die Bewohnerinnen und Bewohner des Elisabeth-Altenheimes in der Sternschanze. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass meine Auswahl an Geschichten dieses Mal besonders gut ankam. Immer, wenn ich eine Story schloss, klatschten die Zuhörenden.
Ich bin zum dritten Mal im Elisabeth-Altenheim gewesen und habe vorgelesen. Damit beteilige ich mich am bundesweiten Vorlesetag, der immer im November stattfindet. Ich habe auch schon in einer Kita, einer Schule und zwei Mehrgenerationenhäusern vorgelesen, aber im Altenheim bin ich besonders gern.
Man muss besonders langsam lesen und besonders betonen. Und die Betonung nicht übertreiben. Die Ohren von Älteren funktionieren nicht mehr gut. Hörgeräte sind oft falsch eingestellt. Immer wieder nehme ich Tempo raus. Wenn die Gäste einmal lachen, warte ich einen Moment, damit sie der Geschichte wieder folgen können.
Der Raum, in dem die Vorlesestunde stattfindet, hat sich zum letzten Mal verändert. Bilder der BewohnerInnen hängen an den Wänden, sie machen eine besondere Atmosphäre. Wieder sind fast nur Frauen meine Gäste. Zwei Männer haben sich mit ihren Rollatoren abseits ganz nach hinten eingefunden. Bevor ich beginne, stellen wir das Mikro ein und ich rede mit meinen Gästen. Eine erzählt mir, dass sie in den 1960ern als Sozialdemokratin engagiert war. Eine andere sagt mir, sie sei erst ganz kurz hier. Ich frage, wie lange, sie sagt, acht Tage. Eine Mitbewohnerin aus der vorderen Reihe dreht sich um und ruft „Quatsch“!
Ich stelle mich vor und rede über das Buch, aus dem ich gleich vorlesen werde. Andreas Hallaschka, Chefredakteur von Merian, hat es herausgegeben. Es heißt daher auch „Merian erzählt Hamburg“ und enthält kurze Geschichten, die von und über Hamburg spielen.
Ich beginne mit Sigfried Lenz‘ „So herrlich ist Hammonia.“ Dann folgt von Niklas Maak „Hamburg, meine Perle“. Danach lese ich von Christina Weiss „Ein Tanz der Maschine, gesgteuert von einem fernen Computerhirn“, und zuletzt von Willi Winkler „Widerstand ist chic: Meine Schanze.“
Bei der letzten Geschichte sind die Bewohnerinnen und Bewohner besonders aufmerksam, denn das Altenheim liegt ja in der Schanze und alle kennen das Schulterblatt, die Rote Flora, die Hafenstraße.
Zum Abschied erhalte ich einen Blumenstrauß. Eine Zuhörerin sagt mir, sie habe während des Lesens die Augen geschossen gehalten, so schön habe sie es gefunden. Eine andere möchte das Buch gern selbst lesen. Andreas Hallschka hat mir bereits zugesagt, dass ich einige Ausgaben für die Bibliothek des Altenheimes bekomme. Danke dafür!
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