Unser zweiter Tag in Shanghai. Neun Uhr morgens Frühstück (in Hamburg war es drei Uhr nachts!). Zwölf Uhr Empfang beim Shanghai Volkskongress – hier sieht man mich auf dem Foto mit Herrn Wu, dem Vize-Vorsitzenden). 14 Uhr Gespräch in der Umweltbehörde, 15.30 Uhr Gespräch bei der Erziehungskommission, 18.30 Uhr Empfang bei der „China`s Peoples Political Consultative Conference“. Was das ist, erkläre ich weiter unten.
Erst einmal der Reihe nach.
Es ist keine Übertreibung, wenn Menschen von der Dimension Shanghais erzählen. Bestimmt eine halbe Stunde dauerte der Landeanflug auf die 22-Millionen-Stadt. Das Häuser-Meer wollte nicht enden. Was für eine irre Stadt. Stadt? Mega-City! Hier stehe ich vor dem Bankenviertel, mitten im – im Wortsinn – pulsierenden Shanghai!
Sie demonstrieren immer montags. Für den Frieden. Das ist eigentlich schön, und viele, die ich näher und auch entfernt kenne, machen mit oder finden diese neue Montagsdemo-Welle gut. Ich kenne allerdings auch viele Menschen, die vor dieser Bewegung warnen. Die sie als antisemitisch und neurechts bezeichnen und als populistisch. Krude Verschwörungstheorien würden hinter den Appellen für Frieden stehen.
Nächsten Dienstag geht es los: Ich fliege für fünf Tage nach Shanghai. Es ist eine Delegation der Bürgerschaft, an der ich teilnehme, aus allen Fraktionen kommen Abgeordnete mit. Die Vorbereitungen waren kleinteilig. Auch wenn ich angeblich alles mit Kreditkarte bezahlen kann, ist mir Bargeld wichtig – also habe ich Hundert Euro eingetauscht und bin jetzt in Besitz der ersten Renminbi meines Lebens. Sie zu bekommen, ist gar nicht so einfach – zumindest die HASPA half nicht weiter. „So seltene Währung haben wir nicht vorrätig“, hieß es in der Filiale Buchardstraße. Dass China der zweitwichtigste Handelspartner für Hamburg ist, ist dort ganz offenbar noch nicht angekommen. Peinlich – oder? Dafür har mich die Reisebank am Hauptbahnhof dann unbürokratisch versorgt.
Mehmet und ich haben zusammen mit 50 Billstedterinnen und Billstedtern gefrühstückt. Ganze Familien waren auf Mehmets Einladung hin in den Kulturpalast gekommen, der gleich neben dem U-Bahnhof Billstedt liegt.
Der parlamentarische Alltag hat manchmal was märchenhaftes. Diese Woche wurde ich an die Geschichte vom tapferen Schneiderlein erinnert. Im Jahr 1812 veröffentlichten die Gebrüder Grimm dieses Märchen und das geht kurz gefasst so: Als sich sieben Fliegen auf seinem Brot mit Pflaumenmus niederlassen, haut er mit einem Tuch darauf und erschlägt sie alle auf einmal.
Eine vierte Klasse hat mich im Rathaus besucht. Zusammen sind wir durch die Räume gegangen, haben uns Gemälde und Skulpturen angeschaut. Die Zehn- und Elfjährigen hatten viele Fragen mitgebracht. Die wichtigste: „Ist ,Herr Scholz‘ schon da? Ich habe Licht in seinem Büro gesehen!“
Ich hatte berichtet, dass ich Post von Nazis bekommen hatte. Darin war neben dem üblichen Dumpfbackeninhalt ein Kondom, mit dem ich aufgefordert wurde, mich nicht fortzupflanzen. Hier hatte ich dazu gebloggt:
Drei Menschen sind ums Leben gekommen, weil ein Dreizehnjähriger in einem Hausflur einen Kinderwagen angezündet hat. Es handelt sich um eine 33-Jährige und ihre beiden Söhne, sie stammen aus Pakistan. Das Haus war von fördern & wohnen angemietet worden, damit Flüchtlinge dort unterkommen konnten.